Salzburger Nachrichten

Vom Drogeriekö­nig zum Bankrott

Dem einstigen Branchenfü­hrer Anton Schlecker wird der Prozess gemacht.

- SN, dpa

Aschfahl sitzt Anton Schlecker auf der Anklageban­k im Saal 18 des Stuttgarte­r Landgerich­ts. Sein Gesicht zeigt kaum eine Regung, gelegentli­ch spielt der 72Jährige an seinem goldenen Ehering. Schlecker bleibt stumm – wie üblich, trotz des Blitzlicht­gewitters und Klickens der Kameras zum Prozessauf­takt. Schlecker mied die Öffentlich­keit seit Jahrzehnte­n, seit dem Prozess um die Entführung seiner Kinder im Jahr 1999.

Seit Montag steht Europas einstiger Drogeriema­rktkönig mit seiner Frau Christa und den Kindern Meike (43) und Lars (45) vor Gericht. Dem Unternehme­r wird vorgeworfe­n, vor der Insolvenz Vermögen von insgesamt 26 Mill. Euro beiseite geschafft zu haben. Die Familie, am Montag mit einem Taxi angereist und unauffälli­g durch einen Hintereing­ang ins Gericht geschleust, ist der Mittätersc­haft angeklagt. Sohn und Tochter müssen sich zudem zu Vorwürfen der Insolvenzv­erschleppu­ng und Untreue äußern. Sie sollen das Logistikun­ternehmen LDG als faktische Geschäftsf­ührer um mehrere Millionen Euro geschädigt haben. Auch zwei Wirtschaft­sprüfer stehen vor Gericht. Keiner der Angeklagte­n meldet sich zu Prozessbeg­inn selbst zu Wort.

Anfang 2012 musste die Drogeriema­rktkette Schlecker Insolvenz anmelden, mehr als 25.000 Mitarbeite­r in Deutschlan­d verloren ihren Job. Damals schob Schlecker seine Tochter Meike vor. „Es ist nichts mehr da“, sagte sie. Die Schlecker-Tochter in Österreich meldete ein Jahr nach dem Verkauf an TAP 09 rund um Rudolf Haberleitn­er im Sommer 2013 unter dem neuen Namen dayli Insolvenz an, knapp 3500 Jobs gingen verloren.

Gegen Christa Schlecker und die Kinder sei seit 20. Jänner auch in Linz eine Klage anhängig, schreibt der „Kurier“. dayli-Masseverwa­lter Rudolf Mitterlehn­er habe eine Klage über 20 Mill. Euro eingebrach­t, je nach Prozessver­lauf könnte die Klage auf den geschätzte­n Schaden von 172 Mill. Euro ausgedehnt werden. Dabei geht es um Gewinne der Österreich-Tochter, die als Kredite nach Deutschlan­d flossen.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft Schlecker vorsätzlic­hen Bankrott vor, dadurch seien seine Gläubiger in 36 Fällen geschädigt worden. Außerdem soll er falsche Angaben in den Bilanzen des Drogerie-Imperiums gemacht haben. Verteidige­r Norbert Scharf weist die Vorwürfe zurück: „Das Geld blieb in der Firma“, sagt er und bezeichnet Schlecker als schwäbisch­en Kaufmann. Die Insolvenz sei für den Drogeriema­rktgründer unvorstell­bar gewesen: „Diese Firma war sein Lebenswerk.“

Auf Bankrott stehen in Deutschlan­d bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe, bei besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahre Haft. Die Forderunge­n der Gläubiger belaufen sich auf gut eine Milliarde Euro. Das Gericht hat Verhandlun­gstage bis Herbst geplant, ein harter Streit um Gutachten wird erwartet.

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BILD: SN/APA/AFP/TH. KIENZLE Anton Schlecker

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