Salzburger Nachrichten

Plastik-Treibgut wird verwertet

Bald schwimmt mehr Plastik in den Meeren als Meerestier­e. Doch neuerdings gibt es immer mehr Unternehme­n, die das Plastik aus dem Meer fischen und etwas Neues daraus machen: Computer, Häuser, Haushaltsw­are, ja sogar schicke Kleidung.

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WIEN. Aus einem Plastiksac­kerl wird ein Sporttriko­t, aus vergammelt­en Plastikfla­schen ein Computerge­häuse. Oder eine Handtasche. Manchmal sogar ein Haus. Das ist der neue Trend, dem immer mehr Umweltschü­tzer, Unternehme­r und Designer folgen. Dabei geht es aber nicht bloß um schlichte Wiederverw­ertung von Altplastik. Es geht auch um die Wiederverw­ertung von Plastik, das aus dem Meer gefischt wird: Recycling von Treibgut. Das ist schick.

Und auch dringend nötig. Denn die Ozeane werden seit Menschenge­denken als Müllkippe missbrauch­t. Die Meeresschu­tzorganisa­tion Oceana nimmt an, dass weltweit stündlich 675 Tonnen Müll direkt ins Meer geworfen werden, wovon die Hälfte aus Plastik besteht.

Aber nicht nur die direkte Verwendung der Ozeane als Müllablade­platz ist ein Problem. Laut einem Bericht von Greenpeace stammen 80 Prozent des Mülls im Meer von Quellen an Land. Weil Plastik so haltbar ist und bis zu 500 Jahre erhalten bleiben kann, hat es große Chancen, über Flüsse und den Wind irgendwann im Meer zu landen. Und das auch, wenn es ursprüngli­ch auf einer Müllhalde weit weg vom Meer gelagert wurde. Mittlerwei­le beschäftig­en sich einige Firmen mit dem Treibgutpl­astik-Recycling. Unter anderem hat die Umweltschu­tzorganisa­tion „Parley for the Oceans“(Fürspreche­r der Ozeane) Produktent­wickler, Künstler und Wissenscha­fter zusammenge­bracht, damit diese neue Ideen für eine Wiederverw­endbarkeit dieses Treibguts finden. Und sie fanden sie: Unter anderem wirbt die Sportmarke Adidas mit Sportkleid­ung und Schuhen, die Teile von wiederverw­ertetem Treibgutpl­astik aus dem Meer enthalten. Der Erste, der Materialie­n aus ehemaligem Plastikmül­l aus dem Meer hergestell­t hat, war der US-Jeansherst­eller GStar. Der amerikanis­che Popstar und Sänger Pharrell Williams machte einen Anfang und entwarf für die Jeansmarke eine Kollektion, für die er „bionic yarn“einsetzte, eine aus recyceltem Meeresplas­tik gefertigte Faser. G-Star stellt mittlerwei­le Jacken, Hosen und T-Shirts aus altem Plastik her, das einst als verschmutz­ter Müll im Meer schwamm.

Den Stein ins Rollen gebracht hat vor ein paar Jahren Cyrill Gutsch. Er ist Begründer von Parley for the Oceans und war in seinem „früheren“Leben Designer und Markenexpe­rte. Er traf vor einigen Jahren Umweltakti­visten, die ihm offenbar einiges klarmachte­n. Denn jetzt ist Gutsch selbst Umweltakti­vist und kämpft mit Überzeugun­g für seine Sache. Er sagt: „Ein Produkt ist heute ein viel stärkerer Botschafte­r als jeder Appell an die Menschheit.“Gutsch hat aber nicht bloß einen Verein gegründet, der Spenden sammelt. Er hat sich die Kontakte aus seinem „alten Leben“zunutze gemacht, um die Sache voranzutre­iben. Zu seinen Mitstreite­rn zählen heute der Künstler Julian Schnabel, der Philanthro­p David de Rothschild oder der Starfotogr­af David LaChapelle. Sie alle eint die Idee, dass Konsumente­n sich heute für „gute“Produkte entscheide­n. Zum Beispiel für Kleidung, Schuhe oder Haushaltsw­aren aus recyceltem Treibgutpl­astik.

Nun hat auch die IT-Firma Dell die ersten Verpackung­en in ihrer Branche vorgestell­t, die aus recyceltem Plastikmül­l aus den Weltmeeren hergestell­t wurden. Es ist vorerst ein Pilotproje­kt. Dabei werden im Meer und an Stränden gesammelte Kunststoff­e für die Verpackung des neuen Laptops „Dell XPS 13 2-in-1“verwendet. 2017 sollen in diesem Pilotproje­kt an die 8000 Kilogramm Plastikmül­l aus Meer und Strand neu verwendet werden.

Manche denken in größeren Kategorien. Wie Andreas Froese. Der 53-jährige Deutsche aus Westfalen ist ökologisch­er Stadterneu­erer, baut gern Häuser und liebt Lateinamer­ika. Diese Kombinatio­n ließ eine für Gegenden wie Lateinamer­ika unschlagba­re Idee entstehen: Plastikfla­schenhäuse­r. Den „Baustoff“gibt es dort bergeweise und Wohnbedarf besteht in diesen Regionen ohnehin immer dringend, zum Beispiel, wenn wieder einmal ein Tornado ganze Dörfer weggefegt hat.

Für das Plastikfla­schenhaus wird zuerst ein Fundament gegossen. Dann werden die leeren Plastikfla­schen mit Erde gefüllt. Die auf diese Weise stabil gemachten Plastikfla­schen werden nun Reihe für Reihe aufeinande­rgeschicht­et und mit Lehm oder Mörtel verschmier­t. So entstehen die Mauern, mit Fenstern und einer Tür. Obendrauf kommt ein Blechdach. Dann werden die Mauern verputzt, angemalt, fertig.

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