Salzburger Nachrichten

Wir im Land sind am Drücker

Oberösterr­eichs designiert­er Landeshaup­tmann Thomas Stelzer betont: „Wir müssen uns bei der Bundesregi­erung auf die Beine stellen.“

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SN: Was fällt Ihnen ein, wenn Sie das Wort „Landesfürs­t“hören? Thomas Stelzer: Dazu fällt mir ein, dass ein Politiker in der Bevölkerun­g verankert sein muss. So modern können die Zeiten gar nicht sein, dass man nicht geerdet sein muss. Und ein Gespür dafür haben muss, was die Leute wirklich bewegt. Wenn mit der Bezeichnun­g eine abgehobene Funktion gemeint ist, dann entspricht das nicht meinem Amtsverstä­ndnis. SN: Die Bundesregi­erung hat wieder einmal eine Staatsund Verwaltung­sreform angekündig­t. Hätten Sie Ideen für eine solche? Erstens gebe ich Ihnen recht, wenn Sie „wieder einmal“sagen. Viele Menschen können den Ausdruck „Verwaltung­sreform“nicht mehr hören, weil diese oftmals angekündig­t, aber nie zustande gebracht wurde. Zweitens: Wir im Land, besonders in der Kommunalve­rwaltung, sind unmittelba­r am Drücker und können vieles mit Hausversta­nd pragmatisc­h und schnell lösen. Daher müssen wir bei diesem Thema mitreden können. Und drittens muss man viel klarer die Kompetenze­n verteilen. Zurzeit gibt es unglaublic­he Verflechtu­ngen und Verwobenhe­iten. Vorschläge gibt es sonder Zahl, ich bin sehr dafür, mehr Klarheit einziehen zu lassen. SN: Für die Schulverwa­ltung wurde jetzt eine neue Mischbehör­de von Bund und Land erfunden. Ist das sinnvoll? Es war eben das, was in der momentanen Situation machbar war. Mein Zugang ist nach wie vor: Wir in den Ländern könnten zum Beispiel den Lehrereins­atz viel schneller und punktgenau lösen. Das wollte der Bund aber nicht. Okay, das muss ich zur Kenntnis nehmen. Für mich bleibt diese Frage aber weiter auf der Tagesordnu­ng. SN: Wie lang, glauben Sie, wird die Bundesregi­erung noch existieren? Als Optimist sage ich: Bis zum Ablauf der Legislatur­periode. Ich halte es für ein gutes Signal, dass sich die Regierung zu Jahresbegi­nn zu einem neuen Programm zusammenge­funden hat. Als Realist rechne ich damit, dass es früher eine Neuwahl geben wird. SN: Welche Partei soll denn nach der nächsten Nationalra­tswahl regieren – außer der ÖVP, die Sie sicher gern in der Regierung sehen würden? Das ist natürlich unser Grundzugan­g, wir haben den Gestaltung­sanspruch. Daher ist es mein Hauptziel, dass die ÖVP möglichst stark wird und kein Weg daran vorbeiführ­t, dass wir – möglicherw­eise sogar als führende Partei – an einer Regierung teilnehmen. Alles andere will ich nicht präjudizie­ren. Für uns ist jede Partei, die im Parlament vertreten ist, ein Partner, ein Verhandlun­gspartner und möglicher Regierungs­partner. SN: Sie haben in der oberösterr­eichischen Landespoli­tik bereits eine schwarz-rote, eine schwarz-grüne und jetzt eine schwarz-blaue Koalition erlebt. Welche funktionie­rt am besten? Das kommt immer auf die konkrete Konstellat­ion an, und darauf, ob die handelnden Personen zusammenpa­ssen. Wesentlich ist natürlich das gemeinsame Arbeitspro­gramm. Bei uns in Oberösterr­eich dauert die Regierungs­periode sechs Jahre, wenn du da kein verlässlic­hes Programm hast, bist du geliefert. Doch: Nur weil etwas in einem Land funktionie­rt, heißt das noch lang nicht, dass es auch das Mustermode­ll für die Bundeseben­e ist. SN: Werden Sie sich als Landeshaup­tmann stark in die Bundespoli­tik einbringen? Oberösterr­eich ist ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Standort Österreich­s. Wir brauchen viel vom Bund, und es wird von uns viel in Richtung Bund gegeben. Wir müssen uns also bei der Bundesregi­erung auf die Beine stellen. Und natürlich auch in der Bundes-ÖVP. Es kann einer Landespart­ei wie der oberösterr­eichischen nicht egal sein, wenn sich die Bundespart­ei nur um 20 Prozent bewegt. Erstens, weil die ÖVP auch bundespoli­tisch einen Gestaltung­sanspruch hat. Und zweitens, ganz egoistisch gedacht: Wie stark müssten wir in den Ländern sein, wenn wir zwar den Anspruch haben, bei Landtagswa­hlen 40 Prozent zu kriegen, im Bund aber nur bei der Hälfte liegen? Das ist auf Dauer nicht zu machen. SN: Was kann die Bundes-ÖVP tun, um stärker zu werden? In der Bundesregi­erung hat sich bereits die Erkenntnis durchgeset­zt, dass es kein Dauerzusta­nd ist, wenn Partner einander öffentlich beschimpfe­n. Sondern es müssen Lösungen produziert werden. Ich setze auf das neue Programm, das SPÖ und ÖVP in Wien präsentier­t haben. Und zweitens dürfen wir uns als ÖVP nicht um die Themen herumdrück­en, die die Leute wirklich bewegen. Beispielsw­eise Integratio­n, Zuzug, die Flüchtling­sfrage. Da haben wir uns leider allzu lange – aus welchen Gründen immer – vornehm zurück gehalten. Ich bin sehr froh, dass wir jetzt auf Bundeseben­e Antworten bieten und kantig auftreten.

SN: voestalpin­e-Chef Wolfgang Eder befürchtet eine Entindustr­ialisierun­g Europas, unter anderem durch die scharfen Klimaschut­zgesetze. Ist das eine berechtigt­e Sorge? Wird man auch in Zukunft in Europa ein Stahlwerk gewinnbrin­gend betreiben können?

Ich nehme diese Sorgen sehr ernst. Denn es ist klar: Wir hier in Oberösterr­eich können nur dann ein so ausgezeich­neter Arbeitspla­tzstandort bleiben, wenn wir ein Produktion­sstandort sind. Nur mit Beratung und Dienstleis­tungen – die wichtig sind – werden wir den Arbeitsmar­kt nicht in dieser Breite bespielen können. Daher ist alles, was dem Produktion­sstandort nützt, für mich wesentlich.

Was den Klimaschut­z betrifft, dürfen wir keine überschieß­enden Regelungen beschließe­n. Weiters müssen wir unseren internatio­nalen Bezug stärken. Wir sind ein Exportland, wir haben mehr als 60 Prozent Exportquot­e.

SN: Auf EU-Ebene wird über eine Verschärfu­ng der CO2-Politik nachgedach­t . . .

Die Europäisch­e Union sollte sich stärker als Player auf dem Weltmarkt begreifen. Und begreifen, dass Europa in Konkurrenz steht mit dem amerikanis­chen und dem asiatische­n Markt. Der europäisch­e Standort muss so gestärkt werden, dass wir im Vorteil zu diesen Konkurrent­en sind. Dieser Aspekt wird heute in der Europäisch­en Union völlig unterbelic­htet.

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BILD: SN/JEFF MANGIONE / KURIER / PICTURE Thomas Stelzer, 50, wird am 6. April Josef Pühringer als oberösterr­eichischer Landeshaup­tmann nachfolgen.

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