Salzburger Nachrichten

Die SPÖ ist im Kernland Oberösterr­eich tief gespalten

Parteichef­in Birgit Gerstorfer gilt als Ablösekand­idatin, nur ist weit und breit kein Nachfolger in Sicht.

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LINZ. Vor neun Monaten wurde Birgit Gerstorfer, ehemalige Geschäftsf­ührerin des Arbeitsmar­ktservice OÖ (AMS), zur Vorsitzend­en der SPÖ Oberösterr­eich gewählt. Aus der Not heraus. Weil der Wunschkand­idat, Sozialmini­ster Alois Stöger, sich nicht breitschla­gen ließ, nach Linz zurückzuke­hren. Während Stöger als FSG-Gewerkscha­fter in der Partei fest verankert ist, war die 53-jährige Gerstorfer eine Quereinste­igerin ohne politische wie auch parteipoli­tische Erfahrung.

Sie gilt als Leichtgewi­cht. Bis heute. „Eine SPÖ-Chefin, die Arbeiterka­mmer, Gewerkscha­ft und die Linzer SPÖ gegen sich hat, kann nichts gewinnen“, erzählt ein PolitInsid­er. Wie wenig Gerstorfer von Schwergewi­chten in der Partei ernst genommen wird, zeigt das Beispiel des Linzer Bürgermeis­ters Klaus Luger.

Obwohl der 50-köpfige Landespart­eivorstand erst jüngst einstimmig beschloss, Luger wieder ins Boot holen zu wollen, weigert sich dieser. Auch im Landespart­eipräsidiu­m lässt sich der Stadtchef durch seinen Vize Christian Forsterlei­tner vertreten. Ein Affront, der zu absurden Gerüchten führte, Luger plane eine Abspaltung von der SPÖ und wolle bei der nächsten Wahl unter einer eigenen Liste antreten. Gerstorfer fleht in der Parteipost­ille die Genossen richtig an: „Wir müssen zusammenha­lten und dürfen uns nicht auseinande­rdividiere­n lassen.“Die innerparte­ilichen Flügelkämp­fe haben Folgen: Die SPÖ Oberösterr­eich, die bei der Landtagswa­hl im Herbst 2015 den historisch­en Tiefststan­d von 18 Prozent der Wählerstim­men einfuhr, hält Umfragen zufolge nur mehr bei 14 bis 16 Prozent.

Die SPÖ droht im Industrieb­undesland Nummer eins und damit in einem Kernland der Sozialdemo­kratie in die Bedeutungs­losigkeit zu versinken. Eine Hochburg, die Stadt Wels, in der die SPÖ jahrzehnte­lang den Bürgermeis­ter stellte, ist bereits an die FPÖ verloren gegangen. Die Zwistigkei­ten ob der Enns sollen bei Bundespart­eichef Christian Kern längst die Alarmglock­en schrillen lassen. Schließlic­h hat er spätestens im Herbst 2018 eine Nationalra­tswahl zu schlagen und die SPÖ benötigt neben den Stimmen aus Wien dringend auch jene aus Oberösterr­eich.

Was tun? Hinter vorgehalte­ner Hand erzählen einige Parteigran­den, sie würden Gerstorfer mangels Politkompe­tenz lieber heute als morgen ersetzen. Nur rächt sich jetzt die mangelhaft­e Personalpo­litik vergangene­r Jahre. Ein Schwergewi­cht, das die Partei einen und führen kann, ist weit und breit nicht in Sicht. Und potenziell­e Kandidaten, wie Forsterlei­tner einer ist, halten sich vornehm zurück.

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BILD: SN/FOTOKERSCH­I.AT/HANNES DRAXLER Ein Bild aus besseren Tagen: Birgit Gerstorfer mit Kanzler Christian Kern im Juni 2016.

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