Drohnen liefern Kokain
Mafiöse Organisationen nutzen vermehrt moderne Technologien für ihre kriminellen Machenschaften. Europas Polizeibehörde Europol wirft nun einen Blick in die Zukunft.
DEN HAAG. Die Geschichten, die Gerald Hesztera, Sprecher von Europol, erzählt, könnten aus einem Hollywoodfilm stammen. Eine geht so: „Wir beobachten, dass Kriminelle verstärkt neue Technologien nutzen. Stellen Sie sich einen Einbrecher vor, der während seiner Tat eine Drohne aufsteigen lässt, um auch sicherzugehen, dass ihn niemand beobachtet.“Szenarien, die bald Wirklichkeit werden könnten, wie der neue SOCTA-Bericht (Serious and Organised Crime Threat Assessment) zeigt, der gestern veröffentlicht wurde.
Die europäische Polizeibehörde mit Sitz in Den Haag hat darin zum zweiten Mal die Einschätzungen ihrer Mitgliedsstaaten zu zukünftigen Entwicklungen im Bereich der organisierten Kriminalität (OK) gesammelt – rund 2000 Fragebögen, die beantworten sollen, welche Probleme die EU in den kommenden Jahren von mafiös organisierten Banden zu erwarten hat.
Eine zentrale Erkenntnis: Die technologischen Möglichkeiten verändern Verbrechen. Kriminelle haben erkannt, wie sie Hightech für ihre Machenschaften nutzen können und bauen im Zuge dessen sogar neue Businessmodelle auf. Dies verdeutlichen seit Längerem die enormen Zunahmen im Bereich Cybercrime. Laut dem Europol-Bericht sind sich 85 Prozent der Internetnutzer der Gefahr bewusst, dass sie zum Opfer von Cyberkriminellen werden könnten. Führend im Feld der Cyberkriminalität werden laut Europol Angriffe mittels Ransomware bleiben. Dabei werden bei Attacken die Daten der Opfer verschlüsselt und nur dann wieder freigegeben, wenn der Betroffene bereit ist, dafür zu bezahlen.
Doch auch in der analogen Welt setzen Kriminelle auf die Vorteile moderner Technologien. Hesztera: „Wir wissen von Fällen, in denen Dealer ihre Drogen mit Drohnen zustellen. Dadurch wird die Gefahr, ertappt zu werden, deutlich verringert.“ Doch auch Einbrecher nutzen immer wieder die Vorteile, die eigentlich den Alltag von Otto Normalverbraucher erleichtern sollten. Sie spähen etwa ihre Objekte via Google Street View aus. Im Trend liegen auch Autodiebstähle, bei denen sich Kriminelle durch die moderne Autotechnologie einhacken und so die Kontrolle über den Pkw ihrer Opfer gewinnen.
Auffällig ist dabei: Die OK-Banden sind nicht nur in einem Feld wie etwa Einbrüchen, Geldwäsche, Waffen- und Geldschmuggel oder Cybercrime aktiv, sondern immer öfter überschneiden sich die kriminellen Betätigungsgebiete. Waren 2013 rund 33 Prozent der Banden „polykriminell“, stieg dieser Wert mittlerweile auf 45 Prozent. Auffallend ist auch die immer stärker werdende Verbindung, die es zwischen der organisierten Kriminalität und terroristischen Gruppierungen gibt. Was der SOCTA-Bericht noch über die organisierte Kriminalität verrät? Laut Europol stehen aktuell rund 5000 OK-Gruppen in der EU unter Beobachtung, deren Mitglieder sich aus 180 Nationalitäten zusammensetzen. Die Banden selbst bestehen in 76 Prozent aus sechs oder mehr Personen.
Noch eine Zahl: 60 Prozent der Verdächtigen, die in Verbrechen in der EU involviert sind, sind EU-Bürger. Und: Sieben von zehn OKGruppierungen sind in mehr als drei Ländern gleichzeitig tätig. In Österreich soll es angeblich 26 kriminelle Organisationen geben.