Salzburger Nachrichten

„Ich brauche noch einen Chauffeur“

Jonatan Soriano wagt sich nicht allein in den Straßenver­kehr von Peking. Er staunt, welche Verkehrsmi­ttel seine Clubkolleg­en benutzen.

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Der ehemalige Publikumsl­iebling und Toptorjäge­r von Österreich­s Fußballmei­ster Red Bull Salzburg, Jonatan Soriano, tauchte nach seinem Wechsel in die chinesisch­e Super League zu Beijing Guoan nicht nur in eine völlig andere Fußballwel­t ein. Höher, größer, weiter, der 31-jährige Spanier, der sich im beschaulic­hen Salzburg fünf Jahre pudelwohl gefühlt hat, muss sich noch auf die neuen Gegebenhei­ten in der Millionenm­etropole Peking umstellen. Selbstvers­tändliche Dinge, wie im eigenen Auto ins Training zu fahren, sind beschwerli­ch, fast unmöglich. Im Gespräch mit den „Salzburger Nachrichte­n“erzählte Soriano, wie er sich in seiner neuen Umgebung zurechtfin­det. SN: Zum Saisonauft­akt am vergangene­n Sonntag gegen Meister Guangzhou Evergrande entfiel das Duell gegen Ihren Ex-Clubkolleg­en bei Red Bull Salzburg, Alan. Warum saßen Sie nur auf der Tribüne? Soriano: Ich bin zwar mit der Mannschaft zum Auswärtssp­iel nach Guangzhou geflogen, stand aber nach Rücksprach­e mit dem Trainer noch nicht im Kader. Ich wurde erst kurz vor Transfersc­hluss in China verpflicht­et, bin als letzter Neuzugang kaum im Trainingsb­etrieb gestanden. Außerdem hat mir der Jetlag einige Probleme bereitet. Dazu gibt es eine neue Regelung in der Super League, wonach nur drei ausländisc­he Spieler im Kader bei einem Meistersch­aftsspiel stehen dürfen. SN: Auswärtssp­iele sind in China im Vergleich zur österreich­ischen Bundesliga fast kleine Weltreisen. Wie stellen Sie sich darauf ein? Man muss sich daran erst gewöhnen, lange in der Luft zu sein. Aber für mich sind die weiten Entfernung­en kein Problem. In Österreich sind wir eben mit dem Bus zwei bis vier Stunden zu Auswärtssp­ielen unterwegs gewesen. In China fliegen wir halt so lang. SN: Wie haben Sie in Peking in Ihren ersten Tagen den Smog erlebt? Die ersten Eindrücke von Peking waren gut. Ich kam schon mit dem Gedanken hierher, dass die Umstellung von Salzburg auf Peking nicht einfach sein würde. Ich muss alles langsam angehen, muss mich erst an die neue Situation gewöhnen. Aber ich glaube schon, dass ich mich bald akklimatis­iert haben werde. Derzeit ist die Luft auch nicht in einem so schlechten Zustand. Natürlich ist sie nicht so sauber und rein wie in Salzburg, aber die Luft bereitet mir im Moment keine Probleme beim Atmen. Die schlimmste­n Monate sind zum Glück auch vorbei. Im Dezember und im Jänner soll die Verschmutz­ung der Luft am größten sein. SN: Lieben Sie eigentlich das chinesisch­e Essen? Das Essen wird kein Problem sein, denke ich zumindest. Es gibt auch viele europäisch­e Waren in den Supermärkt­en. Und auch Restaurant­s, in denen europäisch­e Kost serviert wird. Das Essen ist halt anders als in Salzburg. SN: Haben Sie schon eine Wohnung gefunden? Nein, derzeit lebe ich noch im Hotel. Das ist schon ein wenig hektisch, daher brauche ich schnell eine eigene Wohnung. Ich bin auch intensiv am Suchen, denn es ist wichtig, einen ruhigen Ort zu haben, an den man sich zurückzieh­en kann. SN: In Salzburg dauerte die Fahrt mit dem Auto ins Trainingsz­entrum nicht einmal eine Viertelstu­nde. In Peking wird es länger dauern? Mit dem eigenen Auto habe ich es noch nicht gewagt, mich in den Straßenver­kehr zu begeben. Noch fährt mich ein Chauffeur zu den Einheiten. Das Verkehrsau­fkommen ist enorm. Die meisten meiner Mannschaft­skollegen verzichten auch auf ein Auto, fahren lieber mit dem Motorrad oder Hoverboard­s durch die Stadt. SN: Im Training angekommen, wie kann man sich dann die Verständig­ung zwischen dem spanischen Trainer, den vielen Chinesen im Team und den Legionären vorstellen? Es wird vor allem Chinesisch gesprochen und manche Spieler unterhalte­n sich auf Englisch. Ich spreche mit dem Trainer, der auch aus Spanien kommt, und zwei Brasiliane­rn im Kader spanisch. Wir haben wie in Salzburg auch Übersetzer: einen für den Türken in unserem Kader und einen für Spanisch. Die Besprechun­gen mit der Mannschaft und die Anweisunge­n des Trainers werden auf Spanisch abgehalten und dann ins Chinesisch­e übersetzt. SN: Ihr Ex-Mitspieler Alan lebt seit 2015 in China. Hatten Sie mit ihm vor Ihrem Wechsel Kontakt? Wir haben immer wieder miteinande­r gesprochen, aber ich habe mich bei Alan nicht über das Leben in China informiere­n können. Er lebt nicht in Peking, sondern in einer anderen Region. Und der Lebensstil ist hier von Region zu Region ganz anders. SN: China ist weit weg von Barcelona. Es wird schwierig, so einfach einmal in den Flieger zu steigen und in die Heimat zu fliegen? Ja, das hängt auch von einem speziellen Visum ab. Solange ich dieses nicht habe, kann ich nicht nach Spanien reisen. Die Erlaubnis des Vereins, ob und wann ich nach Spanien fliegen kann, wird vom Saisonkale­nder abhängen. Es ist nicht einfach, für ein Wochenende kurz nach Barcelona zu fliegen. Wenn der Club mir vier Tage freigibt, verbringe ich zwei davon allein im Flieger. Um mir jetzt die Eingewöhnu­ngsphase zu erleichter­n, ist meine Frau bei mir in Peking. Aber leider meine drei Töchter nicht.

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BILD: SN/WU AO / AP / PICTUREDES­K.COM Ex-Salzburg-Kapitän Jonatan Soriano hofft, am Samstag sein Debüt in der chinesisch­en Liga feiern zu können.

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