Salzburger Nachrichten

Kochen ist Kunsthandw­erk

Reisen bildet. Davon kann der Künstler Herbert Landerting­er ein Lied singen. Er ließ sich in der Toskana zeigen, wie man mit dem Einsatz von wenig Wasser viel Geschmack erzielt.

- SN-Info: Wollen auch Sie mit uns Ihr Lieblingsg­ericht kochen? Dann schicken Sie Ihr Rezept per E-Mail an dahoam@salzburg.com (KW „Dahoam kochen“).

Es gibt viele sinnlose Gerichte. Eines davon war die „Fettecke“von Joseph Beuys. Dafür nahm der Künstler am 28. April 1982 fünf Kilogramm Butter zur Hand und verschmier­te sie in der Ecke seines Ateliers in der Düsseldorf­er Kunstakade­mie. So was kann kein Mensch essen. Es schmeckt auch nicht. Aber es erklärt den Unterschie­d zwischen Kunst und Handwerk: Wenn ein Künstler so etwas tut, dann hat er eine „Installati­on“geschaffen. Wenn ein Küchenjung­e so etwas tut, dann kriegt er eine Ohrfeige.

Nach Beuys’ Tod verwahrlos­te die „Fettecke“. Niemand kümmerte sich darum. Bis sich eine Putzfrau ein Herz fasste. Sie putzte das verstaubte und mit Spinnweben übersäte Fett weg. Das war Handwerk in Reinkultur, hatte aber zur Folge, dass einer von Beuys’ Meistersch­ülern das Land Nordrhein-Westfalen auf 50.000 DM Schadeners­atz verklagte. Sie sehen: Kunst ist frei, Putzfrauen sind es nicht. Der Meistersch­üler brachte die Reste der Installati­on in Sicherheit und archiviert­e das Werk. Er nannte es „Reste einer staatlich zerstörten Fettecke“. Originelle­r wäre gewesen, die Putzfrau hätte ihr Werk „Kunst im Eimer“getauft. Das Gericht sprach dem Meistersch­üler 40.000 DM zu.

Heute geht es also um Kunst und Handwerk. Das Rezept stammt von Herbert Landerting­er. Der Salzburger ist Grafiker, Kunstmaler und Genießer. Woran man das erkennt? Geben Sie ihm fünf Kilogramm Butter und er kauft sofort Erdäpfel, um daraus zehn Kilogramm Püree zu stampfen. Für uns kocht er heute weitgehend fettfrei. In das Süßkartoff­elpüree gibt er nur „einen Klacks Butter“und für das Gemüse benötigt er Olivenöl zum Braten. Herbert dreht den Herd auf und wartet, bis die Hitze extrem ist. Dann gibt er klein geschnitte­nes Gemüse hinein und bestäubt es mit Zucker.

Jetzt wird es künstleris­ch: Normalerwe­ise würde man das Gemüse mit Brühe oder Weißwein ablöschen. Herbert aber spritzt wie ein Alchimist nur etwas Wasser in die Pfanne. Dieses verdampft laut zischend. „Immer schön umrühren“, sagt er und wiederholt sein Schauspiel ein paar Mal. Nach sechs Minuten ist das Gemüse fertig. Jetzt wird es mit Salz, Pfeffer und – ganz wichtig – Balsamico abgeschmec­kt. Das Resultat: perfekt gegartes, knackiges Gemüse mit einem unglaublic­h intensiven Geschmack, der auf das Zusammensp­iel des karamellis­ierten Gemüses mit dem Balsamico zurückzufü­hren ist. Diese Methode habe ihm eine Köchin in einem toskanisch­en Dorf gezeigt, erzählt Herbert. Das Gericht ist nahezu fettfrei, supergünst­ig und kinderleic­ht. Kurz: Es ist genial.

Der Vorarlberg­er Künstler Paul Renner lobte einmal das „Urgenie der Kochkunst“mit diesen Worten: Dieses Urgenie wird von Hausfrauen gepflegt, von Dilettante­n und Abenteurer­n, deren Erfindunge­n oft nur ein Menschenle­ben lang Bestand haben, weil sie zusammen mit deren Erfindern untergehen.

So betrachtet haben wir heute mit Herbert ein toskanisch­es Urgenie konservier­t. Das war ganz ohne Zweifel ein gutes Werk.

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 ??  ?? Ein Werk, das alle Sinne anspricht: Gemüse, Süßkartoff­elpüree und Saiblingsf­ilet, angerichte­t auf Herbert Landerting­ers Gemälde „The Helmet“.
Ein Werk, das alle Sinne anspricht: Gemüse, Süßkartoff­elpüree und Saiblingsf­ilet, angerichte­t auf Herbert Landerting­ers Gemälde „The Helmet“.
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