Streit um Mindestlohn und flexible Arbeitszeit
Die Gewerkschaft sagt Ja zu Übergangsfristen beim Mindestlohn für einzelne Branchen, aber klar Nein zu einem Abtausch mit flexibleren Arbeitszeiten.
Die Gewerkschaft gesteht einigen Branchen mehr Zeit für 1500 Euro Mindestlohn zu.
Den rund 300.000 Beschäftigten in Österreich, die weniger als 1500 Euro brutto im Monat verdienen, will die Gewerkschaft möglichst rasch zu einem Mindestlohn in dieser Höhe verhelfen. Mittelfristiges Ziel „bleiben aber die 1700 Euro“, sagt Wolfgang Katzian, Vorsitzender der Angestelltengewerkschaft GPA-djp. Dabei sei man auf einem guten Weg, „das sollte in zwei bis drei Jahren gelingen“.
Dass die 1500 Euro Mindestlohn gegen die von den Arbeitgebern geforderten flexibleren Arbeitszeiten abgetauscht werden, kommt für Katzian allerdings nicht infrage. „Das ist eine rote Linie“, zudem stehe ein Mindestlohn für 300.000 Beschäftigte in keinem Verhältnis zu längeren Arbeitszeiten für alle.
Den Arbeitgebern, die eine Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden fordern und die Abgeltung von Mehrarbeit auf zwei Jahre ausdehnen wollen, richtet Katzian eine klare Botschaft aus: „Rechnen können wir, noch mehr Flexibilität kostet etwas.“
Über beide Themen verhandeln die Sozialpartner aktuell mit der Vorgabe der Regierung, bis Sommer ein Ergebnis vorzulegen, andernfalls will die Koalition im Herbst einen eigenen Vorschlag beschließen. Dass sie das tut und die Sozialpartner „mit einem Gesetz überfährt, kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Katzian. Obwohl die Gespräche zäh verlaufen, ist er „ungebrochen optimistisch, ein Ergebnis zu erzielen“.
Der Spitzengewerkschafter sieht im ständigen Klagen über Schwächen des Wirtschaftsstandorts eine Strategie. Das widerspreche den Fakten (siehe Kasten), den Arbeitgebern gehe es offenbar darum, eine Stimmung zu erzeugen, in der Menschen bereit seien, Verschlechterungen hinzunehmen. Beim Absenken des sozialen Niveaus mache die Gewerkschaft aber sicher nicht mit.
Versöhnlichere Töne schlägt er beim Tempo für das Anheben der Mindestlöhne an. Man strebe eine Generalvereinbarung an, die Spielraum für Branchen lasse, die mehr Zeit brauchen, sagt Katzian, „aber nicht bis zum Sankt-NimmerleinsTag“. Eine solche Branche sind die Friseure, bei denen laut Bundesinnung 30 Prozent der 17.300 Beschäftigten in eine Lohnstufe unter 1500 Euro fallen. Das seien einerseits gelernte Fachkräfte im ersten Jahr, die derzeit 1344 Euro brutto im Monat verdienen. Diesen wollen die Arbeitgeber eine Erhöhung auf 1500 Euro bis 1. April 2019 zusichern.
Andererseits gibt es aber auch ungelernte Hilfskräfte mit derzeit 1137 Euro brutto im Monat. Meist handle es sich um Mitarbeiter mit Lehre, aber ohne Abschlussprüfung, sagt Bundesinnungsmeister Wolfgang Eder. Für die separate Einstufung solcher Hilfskräfte habe es bisher immer eine sozialpartnerschaftliche Vereinbarung gegeben. Um sie auf 1500 Euro zu bringen, will man eine Übergangsfrist von acht Jahren, „vielleicht schaffen wir es in sechs“, sagt Eder. Warum das so lange dauert, rechnet er vor: Im Durchschnitt mache ein Friseur pro Jahr 300.000 Euro Nettoumsatz, davon blieben knapp 40.000 Euro über. Bei durchschnittlich fünf Mitarbeitern und einer Anhebung auf 1500 Euro brutto würde der Gewinn vollständig aufgezehrt. 48 Euro gibt ein Kunde im Durchschnitt pro Friseurbesuch aus, es müssten fast 1000 im Jahr mehr kommen, um die gleiche Spanne zu erzielen, sagt Eder. Die Forderung der Innung empört die Frauenvorsitzende der Gewerkschaft vida, Elisabeth Vondrasek. Sie rechnete am Montag vor, dass ein Anheben des Mindestlohns von 1300 auf 1500 Euro die Arbeitgeber rund 16 Euro mehr pro Arbeitstag und Beschäftigten kosten würde. Für das Unternehmen würde sich somit ein Haarschnitt um rund einen Euro verteuern.
Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner betont, man wolle mit flexiblen Arbeitszeiten „niemandem etwas wegnehmen“. Es gehe darum, kleinen und mittleren Betrieben zu ermöglichen, kurzfristig Aufträge abzuarbeiten. Diese müssten flexibel agieren, „sonst ist entweder der Kunde weg oder der Auftrag“, sagt Haubner.
Aussagen von Gewerkschaftern, die den befürchteten Wegfall der Überstundenzuschläge als „Lohnraub“bezeichnen, sind für Haubner „populistische Panikmache“. Für ihn wäre es „digitaler Lohnraub“, hier nichts zu unternehmen. Denn „was wir nicht mehr erledigen können im Dienstleistungsbereich, werden Plattformen übernehmen“.
Nur wer wettbewerbsfähig sei, könne Arbeitsplätze sichern. Es gehe aber „nicht darum, soziale Standards auszuräumen“. Die Sozialpartner werden sich zeitgerecht einigen, ist er überzeugt, „das werden sie sich nicht nehmen lassen“.