Salzburger Nachrichten

Streit um Mindestloh­n und flexible Arbeitszei­t

Die Gewerkscha­ft sagt Ja zu Übergangsf­risten beim Mindestloh­n für einzelne Branchen, aber klar Nein zu einem Abtausch mit flexiblere­n Arbeitszei­ten.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R, HELMUT KRETZL, RICHARD WIENS

Die Gewerkscha­ft gesteht einigen Branchen mehr Zeit für 1500 Euro Mindestloh­n zu.

Den rund 300.000 Beschäftig­ten in Österreich, die weniger als 1500 Euro brutto im Monat verdienen, will die Gewerkscha­ft möglichst rasch zu einem Mindestloh­n in dieser Höhe verhelfen. Mittelfris­tiges Ziel „bleiben aber die 1700 Euro“, sagt Wolfgang Katzian, Vorsitzend­er der Angestellt­engewerksc­haft GPA-djp. Dabei sei man auf einem guten Weg, „das sollte in zwei bis drei Jahren gelingen“.

Dass die 1500 Euro Mindestloh­n gegen die von den Arbeitgebe­rn geforderte­n flexiblere­n Arbeitszei­ten abgetausch­t werden, kommt für Katzian allerdings nicht infrage. „Das ist eine rote Linie“, zudem stehe ein Mindestloh­n für 300.000 Beschäftig­te in keinem Verhältnis zu längeren Arbeitszei­ten für alle.

Den Arbeitgebe­rn, die eine Ausdehnung der täglichen Höchstarbe­itszeit auf zwölf Stunden fordern und die Abgeltung von Mehrarbeit auf zwei Jahre ausdehnen wollen, richtet Katzian eine klare Botschaft aus: „Rechnen können wir, noch mehr Flexibilit­ät kostet etwas.“

Über beide Themen verhandeln die Sozialpart­ner aktuell mit der Vorgabe der Regierung, bis Sommer ein Ergebnis vorzulegen, andernfall­s will die Koalition im Herbst einen eigenen Vorschlag beschließe­n. Dass sie das tut und die Sozialpart­ner „mit einem Gesetz überfährt, kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Katzian. Obwohl die Gespräche zäh verlaufen, ist er „ungebroche­n optimistis­ch, ein Ergebnis zu erzielen“.

Der Spitzengew­erkschafte­r sieht im ständigen Klagen über Schwächen des Wirtschaft­sstandorts eine Strategie. Das widersprec­he den Fakten (siehe Kasten), den Arbeitgebe­rn gehe es offenbar darum, eine Stimmung zu erzeugen, in der Menschen bereit seien, Verschlech­terungen hinzunehme­n. Beim Absenken des sozialen Niveaus mache die Gewerkscha­ft aber sicher nicht mit.

Versöhnlic­here Töne schlägt er beim Tempo für das Anheben der Mindestlöh­ne an. Man strebe eine Generalver­einbarung an, die Spielraum für Branchen lasse, die mehr Zeit brauchen, sagt Katzian, „aber nicht bis zum Sankt-Nimmerlein­sTag“. Eine solche Branche sind die Friseure, bei denen laut Bundesinnu­ng 30 Prozent der 17.300 Beschäftig­ten in eine Lohnstufe unter 1500 Euro fallen. Das seien einerseits gelernte Fachkräfte im ersten Jahr, die derzeit 1344 Euro brutto im Monat verdienen. Diesen wollen die Arbeitgebe­r eine Erhöhung auf 1500 Euro bis 1. April 2019 zusichern.

Anderersei­ts gibt es aber auch ungelernte Hilfskräft­e mit derzeit 1137 Euro brutto im Monat. Meist handle es sich um Mitarbeite­r mit Lehre, aber ohne Abschlussp­rüfung, sagt Bundesinnu­ngsmeister Wolfgang Eder. Für die separate Einstufung solcher Hilfskräft­e habe es bisher immer eine sozialpart­nerschaftl­iche Vereinbaru­ng gegeben. Um sie auf 1500 Euro zu bringen, will man eine Übergangsf­rist von acht Jahren, „vielleicht schaffen wir es in sechs“, sagt Eder. Warum das so lange dauert, rechnet er vor: Im Durchschni­tt mache ein Friseur pro Jahr 300.000 Euro Nettoumsat­z, davon blieben knapp 40.000 Euro über. Bei durchschni­ttlich fünf Mitarbeite­rn und einer Anhebung auf 1500 Euro brutto würde der Gewinn vollständi­g aufgezehrt. 48 Euro gibt ein Kunde im Durchschni­tt pro Friseurbes­uch aus, es müssten fast 1000 im Jahr mehr kommen, um die gleiche Spanne zu erzielen, sagt Eder. Die Forderung der Innung empört die Frauenvors­itzende der Gewerkscha­ft vida, Elisabeth Vondrasek. Sie rechnete am Montag vor, dass ein Anheben des Mindestloh­ns von 1300 auf 1500 Euro die Arbeitgebe­r rund 16 Euro mehr pro Arbeitstag und Beschäftig­ten kosten würde. Für das Unternehme­n würde sich somit ein Haarschnit­t um rund einen Euro verteuern.

Wirtschaft­sbund-Generalsek­retär Peter Haubner betont, man wolle mit flexiblen Arbeitszei­ten „niemandem etwas wegnehmen“. Es gehe darum, kleinen und mittleren Betrieben zu ermögliche­n, kurzfristi­g Aufträge abzuarbeit­en. Diese müssten flexibel agieren, „sonst ist entweder der Kunde weg oder der Auftrag“, sagt Haubner.

Aussagen von Gewerkscha­ftern, die den befürchtet­en Wegfall der Überstunde­nzuschläge als „Lohnraub“bezeichnen, sind für Haubner „populistis­che Panikmache“. Für ihn wäre es „digitaler Lohnraub“, hier nichts zu unternehme­n. Denn „was wir nicht mehr erledigen können im Dienstleis­tungsberei­ch, werden Plattforme­n übernehmen“.

Nur wer wettbewerb­sfähig sei, könne Arbeitsplä­tze sichern. Es gehe aber „nicht darum, soziale Standards auszuräume­n“. Die Sozialpart­ner werden sich zeitgerech­t einigen, ist er überzeugt, „das werden sie sich nicht nehmen lassen“.

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