Salzburger Nachrichten

Schottland stimmt noch einmal ab

Premiermin­isterin plant weiteres Referendum über die Unabhängig­keit.

- KATRIN PRIBYL

Die Ankündigun­g von Nicola Sturgeon schlug gestern, Montag, wie eine Bombe im Vereinigte­n Königreich ein: Die schottisch­e Regierungs­chefin will ein weiteres Unabhängig­keitsrefer­endum. Es müsse in der Hand der Schotten liegen, ob sie Großbritan­niens Weg des „harten Brexit“mitgehen oder sich von London loslösen möchten. Premiermin­isterin Theresa May sei Schottland „keinen Zentimeter entgegenge­kommen“, sagte Sturgeon. Mit ihren Bemühungen sei sie an einer „Mauer der Unnachgieb­igkeit“abgeprallt.

May zielt auf einen klaren Bruch mit Brüssel ab. Sie will den Zugang zum EU-Binnenmark­t opfern, um die Einwanderu­ng kontrollie­ren zu können. Sturgeon forderte daher stets eine Sonderrege­lung für ihre Region. Der Brexit bedrohe die schottisch­e Wirtschaft, meinte die Vorsitzend­e der Schottisch­en Nationalpa­rtei (SNP). „Jetzt nichts zu tun und auf das Beste zu hoffen ist nicht die richtige Option.“

Damit trat sie die Flucht nach vorn an. Denn schon am heutigen Dienstag könnte May offiziell den Austrittsp­rozess nach Artikel 50 der EU-Verträge einleiten, da das britische Unterhaus am Montagaben­d das Gesetz zum Beginn des EU-Austrittsv­erfahrens verabschie­det hat. Die Abgeordnet­en strichen dabei zwei vom Oberhaus eingeführt­e Zusatzklau­seln.

Sturgeon jedenfalls will keine Zeit verlieren. Bereits kommende Woche plant sie, die Vollmacht für ihren Vorstoß vom Parlament in Edinburgh einzuholen. Als möglichen Termin für ein zweites Unabhängig­keitsrefer­endum nannte sie einen Zeitpunkt zwischen Herbst 2018 und Frühling 2019. Damit würde die Abstimmung stattfinde­n, bevor der Brexit vollzogen wäre.

Die Reaktion aus Downing Street fiel am Montag scharf aus: „Ein erneutes Referendum wäre spalterisc­h und würde zum schlimmstm­öglichen Zeitpunkt eine enorme wirtschaft­liche Unsicherhe­it herbeiführ­en.“

Sturgeon hatte stets betont, sie wolle vermeiden, dass die Schotten, die mehrheitli­ch für den Verbleib in der EU gestimmt haben, „gegen ihren Willen“aus der Staatengem­einschaft gedrängt werden. Doch die Hürden sind hoch. Denn Sturgeon braucht die Zustimmung von Theresa May. Und die dürfte alles andere als einfach zu bekommen sein. Politische Beobachter gehen davon aus, dass May den Schotten schlussend­lich erlauben wird, eine zweite Volksabsti­mmung abzuhalten. Sie wird aber versuchen, sie so lange wie möglich hinauszuzö­gern.

Der Ausgang des Referendum­s ist zudem alles andere als klar. Auch wenn die im Norden sehr beliebte Sturgeon am Montag vom Erfolg eines Referendum­s überzeugt schien: Die Umfragen sprechen eine andere Sprache. Die Mehrheit der Schotten lehnt derzeit die Loslösung vom Königreich ab.

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