Verfolgung steht im Mittelpunkt
Politischer Auftrag für ein Buch, das politische Unterdrückung thematisiert.
SALZBURG. Die Liebe der Salzburger zu den Wienern ist bekanntermaßen enden wollend und entwickelte sich verhältnismäßig spät. Vor 201 Jahren wurde Salzburg endgültig Teil Österreichs. Im Vorjahr wurde dies mit zahlreichen Veranstaltungen, Projekten und Festakten begangen. Oder, wie es Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) formulierte: „Nur weil es ein Jubiläum gibt, muss man nicht jubeln.“Es sei jedoch eine Gelegenheit zur Standortbestimmung gewesen: „Wo stehen wir, wo wollen wir sein und wo geht die Reise hin.“
Diese Frage beleuchtete die zu Beginn des Jubiläumsjahres präsentierte Publikation: „Salzburg – Wien: eine späte Liebe“. Doch der klar abgesteckte Arbeitsauftrag für das Buch mündete im Vorwurf, die NS-Zeit werde verharmlost, da nicht direkt auf die Gräueltaten des NS-Regimes eingegangen wurde. Landeshauptmann Haslauer ließ daher eine zweite Publikation in Auftrag geben. Thema: Unterdrückung in den vergangenen 200 Jahren.
Die 170 Seiten starke Publikation wurde nun am Montag im Landesarchiv präsentiert. Neues ist darin nicht zu finden. Das Buch liefert jedoch eine kompakte und solide Zusammenschau darüber, wie der Staat, die Herrscher, die Obrigkeiten seit 1816 mit den Salzburgern umgegangen sind. Welche Anstrengungen sie unternahmen, um ihre eigenen Machtansprüche zu schützen und jeglichen Widerstand im Keim zu ersticken.
Den Beginn macht der Vormärz bzw. das Biedermeier, mit Zensur und polizeilicher Überwachung. In der späten Habsburgermonarchie zeichnete sich beginnender Antisemitismus ab. Die vermeintliche Kriegsbegeisterung und die staatlichen Repressionen im Ersten Weltkrieg werden ebenso thematisiert wie politische Verfolgung in der Zwischenkriegszeit. Den größten Teil nimmt das Kapitel über die NSZeit ein; die grausame NS-Justiz mit ihren Sondergerichten, die unzählige Menschen wegen Lappalien zum Tode verurteilte. „Es gab einen Bedarf, die Forschung sichtbar zu machen, die es zu diesem Thema schon gibt“, sagte Haslauer. Besonderen Wert lege er auf die angeführten „Forschungsdesiderate“– also welche Lücken es in der Aufarbeitung der Salzburger Geschichte noch zu schließen gebe.
Da fallen Oskar Dohle, dem Leiter des Landesarchivs, einige ein: „Im Ersten Weltkrieg ist militärgeschichtlich alles bis auf Bataillonebene erforscht. Man kann nachvollziehen, wer an welchem Waldesrand gefallen ist. Aber wir wissen nichts darüber, wie es auf Ebene der Bezirksverwaltung zugegangen ist, wie zum Beispiel das Schwarzschlachten geahndet wurde.“
Das Kapitel über die NS-Zeit arbeitet die Wiener Historikerin Ursula Schwarz vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands auf. Sie hat sich auf die NS-Strafjustiz spezialisiert: „In Salzburg war es ohne Weiteres möglich, vom NS-Richter zum Landesgerichtspräsidenten aufzusteigen“, sagt Schwarz. Im nächsten Jahr werde ein Justizhandbuch erscheinen, mit allen österreichischen Richtern, die in der Nazizeit tätig waren.
Auch in Salzburg wird an einem weiteren Band zur Landesgeschichte gearbeitet. Die Geschichte des Fürsterzbistums vor 1803 soll beleuchtet werden.
„Nur weil es ein Jubiläum gibt, muss man nicht jubeln.“