Salzburger Nachrichten

Auf zum Türken-Bashing! Und was dann?

Es ist die Frage zu stellen, ob sich Europa in seiner Auseinande­rsetzung mit der Türkei stets der richtigen Mittel bedient.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Erdoğans Bestreben, die Türkei in eine Präsidiald­iktatur umzuwandel­n, ist keine innertürki­sche Angelegenh­eit. Es ist eine Angelegenh­eit, die auch die restliche Welt etwas angeht. Einmischun­g von außen in die Vorgänge in Ankara ist notwendig und erwünscht. Ebenso notwendig und erwünscht ist es, den türkischen Demagogen die politische Bühne in Europa zu entziehen. Die Hetze Ankaras gegen Deutschlan­d, die Niederland­e und andere Staaten ist strikt zurückzuwe­isen.

Dessen ungeachtet darf man die Frage stellen, ob sich Europa in seiner Auseinande­rsetzung mit der Türkei stets der richtigen Mittel bedient. Die Außerlande­sschaffung einer türkischen Ministerin durch die niederländ­ischen Behörden beispielsw­eise war kein Beitrag zur Sachlichke­it, sondern ein Beitrag zu Erdoğans Wahlkampf. Die unbedachte Aktion der Niederland­e drehte die Eskalation­sspirale weit nach oben und kränkte die Türken weit über Erdoğans Anhängersc­haft hinaus. Bessere TV-Bilder, bessere Argumente für die Verschwöru­ngstheorie, dass sich die ganze Welt gegen die Türkei zusammenge­rottet habe, konnte man dem Despoten in Ankara kaum liefern.

Auch die österreich­ische Regierung schießt in ihrem Bestreben, türkische Wahlkampfa­uftritte in Österreich zu unterbinde­n, weit am Ziel vorbei. Beide Parteien rufen nach einer Gesetzesän­derung, wobei die ÖVP nicht nur höchst anlassbezo­gen an einer „Lex Erdoğan“bastelt, sondern in einem Aufwaschen gleich auch das Versammlun­gsrecht bis zur Unkenntlic­hkeit verschärfe­n will. Am Freitag wird weiterverh­andelt. Eine Einigung ist wohl erst zu erwarten, wenn der türkische Wahlkampf längst vorbei und die Gefahr türkischer Wahlkampfa­uftritte gebannt ist.

Bis dahin würde sich ein Blick ins geltende Gesetz empfehlen. Demnach sind Versammlun­gen zu untersagen, „deren Abhaltung die öffentlich­e Sicherheit oder das öffentlich­e Wohl gefährdet“. Das sollte eigentlich reichen für die Unterbindu­ng einer Veranstalt­ung, bei der Türken und Kurden, ErdoğanFan­s und deren Gegner aufeinande­rprallen.

Österreich hätte einige ernste Fragen mit der Türkei zu klären. Etwa die Frage, warum Ankara Zigtausend Austrotürk­en heimlich mit türkischen Pässen ausstattet, sodass Österreich nicht nur Heerschare­n an illegalen Doppelstaa­tsbürgern, sondern auch Heerschare­n an Erdoğan-Wählern beherbergt. Würde Österreich durch unsanften Druck auf Ankara dieses Problem lösen, würde sich das Problem türkischer Wahlkampfa­uftritte gar nicht mehr stellen.

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