Unentschieden bis zuletzt
Viele Niederländer treffen ihre Wahl in letzter Minute. Nicht nur zwischen Rutte und Wilders.
14 Parteien werden voraussichtlich nach der heutigen Wahl ins niederländische Parlament einziehen. An dieser Prognose der Meinungsforscher hat sich in den letzten zwei Monaten nichts mehr geändert. Anders als am prognostizierten Wahlsieger: Nachdem der Rechtspopulist Geert Wilders mit der Partei für die Freiheit (PVV) zu Jahresbeginn in Umfragen klar voran gelegen war, überholte ihn der amtierende Premier Mark Rutte mit der Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) mit einem Vorsprung von zuletzt drei Prozent.
Allerdings war die Mehrheit der Niederländer bis kurz vor der Wahl, die heute, Mittwoch, um 7.30 Uhr beginnt, noch unentschlossen. Entsprechend wichtig war für die beiden aussichtsreichsten Kandidaten das Fernsehduell am Montagabend.
Die mit Spannung erwartete Debatte dauerte knapp eine halbe Stunde. Drei Themen gab der Moderator vor, die das niederländische Volk derzeit am meisten beschäftigen: Wirtschaft, Gesundheitssystem und Einwanderung. An Schlagfertigkeit standen sich dabei mit Rutte und Wilders zwei ebenbürtige Konkurrenten gegenüber. Je nach Thema wechselte aber, wer inhaltlich die Oberhand behielt.
Das Thema Wirtschaft und Arbeitsmarktpolitik kommt im Programm der Wilders-Partei nur am Rande vor. Rutte führte seinerseits ins Feld, er habe die Niederlande als Premier erfolgreich durch die Wirtschaftskrise manövriert. Tatsächlich steht das Land heute so gut da wie kaum ein anderes in Europa. Als Wilders für den Nexit, also den Austritt der Niederlande aus der EU, warb, konterte Rutte, dieser würde mindestens 1,5 Millionen Arbeitsplätze kosten und „Chaos bedeuten für die Niederlande“.
Mit dieser Ansicht hat der Premier wohl die Mehrheit der Niederländer hinter sich.
Wie wichtig die internationalen Bande für das Land sind, hat die Bertelsmann-Stiftung kürzlich analysiert: Das Bruttoinlandsprodukt wäre ohne die fortschreitende Globalisierung pro Kopf um 690 Euro niedriger als derzeit. Das scheint laut der Erhebung der Bevölkerung großteils bewusst zu sein: 60 Prozent halten die Globalisierung eher für eine Chance als für eine Bedrohung.
Sorgen bereiten den Niederländern laut einer Untersuchung der Universität Tilburg hingegen die Absicherung des Gesundheitssystems und der Altersvorsorge. Ein Problem, das Wilders ganz klar Ruttes Regierung anlastete, die in den vergangenen Jahren massive Kürzungen im Gesundheitssystem vorgenommen hat. Die Einsparungen seien „eine Schande“, sagte Wilders, der im gleichen Atemzug auf die Ausgaben und Leistungen für Asylbewerber verwies. Rutte blieb defensiv und sagte, es gebe „große Herausforderungen im Gesundheitssystem“.
Inhaltlich am nächsten kamen sich die Kandidaten beim Thema Einwanderung: Rutte war im Wahlkampf auf das von Wilders gesetzte Thema Islamisierung aufgesprungen und nach rechts gerutscht.
Im Streit mit der Türkei zeigte er sich zuletzt unnachgiebig, was ihm Wilders gegenüber den Vorsprung bei der Wahl sichern könnte. Der Rechtspopulist versuchte trotzdem, den Premier in Sachen Türkei aus der Reserve zu locken, und forderte ein noch strikteres Vorgehen gegen türkische Politiker. Rutte wiederum warf Wilders vor, mit radikalen Parolen auf Stimmenfang zu gehen. „Wenn man Verantwortung für ein Land hat, muss man überlegte Maßnahmen ergreifen“, sagte Rutte.
Die Wahllokale schließen um 21 Uhr, danach werden erste Prognosen veröffentlicht.
„Wer Verantwortung hat, muss überlegte Maßnahmen treffen.“