Außer Gaudí gibt es noch vieles in Barcelona, auch Musik
Barcelonas Kampf gegen Massentourismus führt à la Salzburg über die „Hochkultur“und die Strahlkraft dreier Institutionen
BARCELONA. Muss man für Salzburg Werbung machen, für Venedig, für Barcelona? In den engen Gassen stauen sich die Touristen, Tagesausflügler erregen den Unmut der Einheimischen, wenn sie in allzu großer Zahl die Ameisenstraßen entlangschlendern – und wenig Geld hinterlassen. Die Lösung: Kulturtouristen bleiben länger – und geben mehr aus. Die Salzburger Festspiele berufen sich in ihren Rechenaufgaben drauf, nun haben sich auch die drei Kulturinstitutionen in Barcelona zusammengeschlossen, um ähnliche Wirkungen zu erzielen: das Gran Teatre del Liceu, legendärer Opernpalast, dann der Palau de la Música Catalana, als einziger Konzertsaal UNESCO-Weltkulturerbe, und das moderne L’Auditori, das örtliche Konzerthaus.
Auf Einladung dieser neuen Kulturinitiative, genannt BarcelonaGlobal, kam eine Handvoll Journalisten in die katalanische Stadt und hatte das Vergnügen, jeweils auch hinter die Kulissen blicken zu können. Im Zentrum des Interesses standen natürlich Gustavo Dudamel und das Símon Bólivar Orchestra, „alte“Bekannte mehrerer Salzburger Festspielsaisonen. Die Venezolaner starteten in Barcelona ihre Tournee, auf der sie jeweils alle Beethoven-Symphonien aufführen und die nach Barcelona in die Hamburger Elbphilharmonie führt und danach in den Wiener Musikverein. Unterschiedlicher könnten diese Konzerthäuser kaum sein. Der Palau ist ein Musterbeispiel des katalanischen Jugendstils, genannt Modernismé, den man allgemein mit Antoni Gaudí in Zusammenhang bringt. Der 1908 eröffnete, auf Privatinitiative finanzierte Palau ist vom Architekten Lluís Domènech: ein magischer Ort des optischen Überflusses und ein Juwel.
Kein Wunder, dass sich hier gerne Weltstars einfinden. In dieser Jubiläumssaison tauchen Namen wie Juan Diego Floréz und Cecilia Bartoli ebenso auf wie William Christie, John Eliot Gardiner und René Jacobs mit ihren Orchestern, und auch das Hagen Quartett neben Rudolf Buchbinder. Was das Símon Bólivar Orchestra betrifft, war man gespannt, was von der „Schule des Hörens“übrig blieb, in die der unvergessene Nikolaus Harnoncourt im Salzburger Festspielsommer die Musiker mit Beethovens 5. Symphonie schickte. Das ist zehn Jahre her, das Orchester hat „Youth“aus dem Namen gestrichen, die Entwicklung ist beeindruckend. Am Sonntag standen zur Matinée die Symphonien Nr. 1 und Nr. 2 auf dem Programm, am Abend Nr. 3 und Nr. 4. Respekt vor der Literatur – rechts über der Bühne blickt zudem als riesige Büste ein grimmiger Beethoven auf das Podium – merkte man dem Orchester schon an, aber Gustavo Dudamel hatte die Seinen bestens trainiert und die Partituren klar ausgeleuchtet. Harnoncourts revolutionäre Anwandlungen kamen erst mit der dramatischen „Eroica“zur Geltung, oder auch in der „Egmont-Ouvertüre“. Jubelstimmung herrschte im Palau de la Música.
Schon am Samstag im sachlichen Saal des L’Auditori war das heimische Orquestra Simfonica de Barcelona i Nacional de Catalunya – Konzertmeisterin Nathalie Chee – ebenso bejubelt worden wie Arcadi Volodos als Solist in Beethovens 3. Klavierkonzert. Das bunte Programm von Hector Parra („Fibrillan“für Streichorchester) bis Bartóks „Wunderbarem Mandarin“dirigierte souverän Josep Pons, und der ist wiederum Musikdirektor im Liceu. Das Stagione-Angebot im Liceu erinnert an das Theater an der Wien, aktuell geht Verdis „Rigoletto“(mit Javier Camarena) in die Endprobe. Es gibt neben Populärem (Jonas Kaufmann als „Andrea Chénier“) auch Rares, wie Rubinsteins „Dämon“(mit Dmitri Hvorostosky, Ausstattung Hartmut Schörghofer). Die künstlerische Leiterin Christina Scheppelmann holt Weltstars von Sonya Radvanovsky bis Piotr Beczala an Bord. Das könnte die Reiseplanungen doch beeinflussen.