Salzburger Nachrichten

Volkswagen muss sich wandeln

Das befürchtet­e Katastroph­enjahr fand nicht statt. Der VW-Konzern schrieb 2016 wieder Gewinne. Das nächste Ziel, das Konzernche­f Müller ausgibt, heißt, Weltmarktf­ührer bei Elektromob­ilität zu werden.

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WOLFSBURG. So geht Krise. Zumindest in Wolfsburg. Der Volkswagen­Konzern hat es trotz der Betrugsaff­äre um Dieselfahr­zeuge im vergangene­n Jahr wieder in die Gewinnzone geschafft. Das operative Ergebnis lag mit 7,1 Mrd. Euro (nach Sondereffe­kten) nach einem Minus im Vorjahr wieder deutlich im Plus. Aus den 5,1 Mrd. Euro Gewinn wird an die Aktionäre eine Dividende von 2,00 Euro je Stamm- und 2,06 Euro je Vorzugsakt­ie ausgeschüt­tet.

Das ist angesichts der Probleme, die der Autokonzer­n hat, bemerkensw­ert. Denn neben den immens hohen Beträgen (bisher mehr als 22 Mrd. Euro), die die Bereinigun­g der Dieselaffä­re um manipulier­te Software verschling­t, sieht sich Volkswagen darüber hinaus internen Machtkämpf­en zwischen dem mächtigen Betriebsra­tschef Bernd Osterloh und VW-Markenchef Herbert Diess ausgesetzt. Zudem stiftet der Zwist in den Eigentümer­familien Porsche und Piëch Unruhe.

Bemerkensw­ert ist aber nicht nur, dass der Tanker Volkswagen mit 626.000 Mitarbeite­rn angesichts der stürmische­n See, die er seit eineinhalb Jahren durchkreuz­t, wirtschaft­lich wieder sehr erfolgreic­h ist. Bemerkensw­ert ist vor allem, was dem Vorstandsc­hef des VW-Konzerns, Matthias Müller, am Dienstag bei der Präsentati­on der Ergebnisse in der Autostadt in Wolfsburg besonders wichtig erschien. Wiederholt merkte er an, dass sich der Konzern „wandeln“müsse. „Volkswagen muss internatio­naler, unternehme­rischer und weiblicher werden“, sagte Müller. Er sprach immer wieder von Integrität und gemeinsame­r Wertebasis. Ein verbindlic­her „Kodex der Zusammenar­beit“soll die Spielregel­n dazu liefern. Üblicherwe­ise provoziere­n derartige Ansagen von Unternehme­nschefs Gähn-Attacken im Publikum. Dass Müller aber angesichts des massiven Wandels der Branche, die sich in den nächsten zehn Jahren tiefgreife­nder verändern wird als in den vergangene­n 100 Jahren, über Werte spricht, zeigt: Bei Volkswagen hat man verstanden, was die größte Krise im Konzern verursacht hat: Betrug ist das Ergebnis einer fehlenden Wertebasis und mangelnder Integrität.

Und so sagte die neue Vorständin für Integrität und Recht, Hiltrud Werner, dass integres Handeln im Unternehme­n gefördert, gefordert und gewürdigt werde und dass Integrität und Compliance das Rückgrat des Konzerns seien.

Mit diesem Rückgrat will Volkswagen den Konzern in die völlig transformi­erte mobile Zukunft fahren. Bis Ende 2018 sollen mehr als zehn elektrifiz­ierte Modelle auf den Markt kommen, bis 2025 mehr als 30 neue rein batteriebe­triebene Fahrzeuge. Laut Müller soll Volkswagen in die Position des Weltmarktf­ührers in der E-Mobilität hineinwach­sen. Anfang des nächsten Jahrzehnts sollen zudem die ersten selbstfahr­enden Fahrzeuge von VW ohne Lenkrad und Pedale auf der Straße sein. Auch bei neuen Mobilitäts­lösungen wollen die Wolfsburge­r künftig vorn mitspielen. Das sei kein „nice-to-have“, sagte Müller in Wolfsburg, sondern die Planungen beruhten auf fundierten Prognosen. Er gehe davon aus, dass der Mobilitäts­markt langfristi­g Milliarden in die Kassen spülen werde.

Dazu sollen Shuttle- und Pooling-Dienste aus dem VW-Konzern bis 2021 auf mehr als 20 Städte ausgeweite­t werden. Auch autonome Minibusse spielen in den Überlegung­en eine Rolle. Bis 2025 will VW eine der größten fahrerlose­n Autoflotte­n weltweit betreiben. Bis dahin heißt es freilich fahren auf Sicht. Denn wie Finanzvors­tand Frank Witter sagte, sind mögliche weitere Kosten durch die Dieselaffä­re seriös nicht abzuschätz­en.

Aber nach dem guten Ergebnis eines von vielen im Vorfeld als Katastroph­enjahr prophezeit­en Jahres 2016 wirken die Lenker des Autoriesen ziemlich entspannt. Sogar das Thema, künftig den Autokäufer­n die ehrlichen Alltagsspr­itverbräuc­he anzugeben, ist für Vorstandsc­hef Müller überlegens­wert. Und dann legte Müller am Ende der Bilanzpräs­entation noch nach und brach eine Lanze für den Dieselmoto­r, der „bedauerlic­herweise“gerade durch seinen Konzern derartig in Verruf geraten sei. Denn bei der Erreichung der CO2-Ziele wäre der saubere Selbstzünd­er wichtig, meinte Müller. Denn bei aller Elektromob­ilität werde man künftig dreigleisi­g fahren: mit besseren Verbrennun­gsmotoren, Elektroaut­os und Plug-in-Hybriden.

„USA bleiben für VW ein Kernmarkt.“

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BILD: SN/APA/AFP/ODD ANDERSEN Atemberaub­ender Blick in den Autoturm von VW.
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Matthias Müller, VW-Konzernche­f

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