Salzburger Nachrichten

Die goldenen 20er-Jahre und viel vernichtet­es Kapital

Historiker Fritz Weber beschreibt den Weg zur Existenzkr­ise der Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe im Jahr 1931.

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WIEN. Zusammenbr­üche kleinerer und mittlerer Banken waren in der Zwischenkr­iegszeit im Österreich des 20. Jahrhunder­ts an der Tagesordnu­ng. Das kleinste Gerücht genügte, um einen Run auf eine Bank auszulösen. Eine, die Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe, stand vermeintli­ch wie ein Fels in der Brandung. Sie schluckte reihenweis­e angeschlag­ene Konkurrent­en, die auf politische­n Druck erfolgte Übernahme der Bodencredi­tanstalt wurde ihr allerdings zum Verhängnis.

Den Weg zum Beinahe-Zusammenbr­uch der mit Abstand größten und einzigen internatio­nal relevanten Bank des Landes zeichnet der Historiker Fritz Weber in seinem Buch „Vor dem großen Krach“nach, das am Dienstag vorgestell­t wurde. Dass die Credit-Anstalt 1931 vor der Pleite stand, sei ohne die Bodencredi­tanstalt nicht zu verstehen, sagt Weber. Sie habe sich damit Probleme mit drei großen Kreditnehm­ern aufgehalst, die sie nicht allein bewältigen konnte. Im Mai 1931 waren 85 Prozent des Eigenkapit­als der Credit-Anstalt aufgezehrt, „ein von der Bank of England in den Vorstand entsandter Repräsenta­nt verweigert­e die Unterschri­ft unter die Bilanz“und besiegelte sihr Schicksal. Notenbank, Staat und CA-Großaktion­är Nathaniel Rothschild mussten das Institut vor dem Untergang bewahren. Endgültig bereinigt worden seien die Kalamitäte­n durch die Fusion der Credit-Anstalt mit dem Bankverein im Jahr 1934, sagt Weber. Am Ende der Ersten Republik sei das Wiener Bankwesen auf ein Institut – die Creditanst­altBankver­ein – reduziert gewesen.

In den 1920er-Jahren wurde „viel Kapital verpulvert“, sagt Weber unter Hinweis auf die aussichtsl­ose Strategie der österreich­ischen Banken, trotz des Zerfalls der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg ihre Stellung in den ehemaligen Kronländer­n behaupten zu wollen. Es sei eben „schwierig, sich gegen einen historisch­en Trend zu stellen“.

Lässt man die Finanzkris­e der Jahre 2007/08 Revue passieren und stellt sie den Wirrnissen der Zwischenkr­iegszeit gegenüber, gibt es einige Déjà-vu-Erlebnisse. Der große Unterschie­d sei aber, sagt Weber, dass es beim Kampf gegen die Folgen in den 1930er-Jahren keine internatio­nale Kooperatio­n gab. Das sei dieses Mal anders gewesen.

Die Creditanst­alt, 1938 bis 1945 Teil der Deutschen Bank, überlebte, wurde 1946 verstaatli­cht und blieb bis in die späten 1990er-Jahre das wichtigste Geldinstit­ut des Landes. 1997 wurde die CA von der Bank Austria gekauft, 2008 verschwand der Name Creditanst­alt, ein Stück Bankengesc­hichte war zu Ende.

Ex-Finanzmini­ster Hannes Androsch, von 1981 bis 1988 CA-Generaldir­ektor, hat ein Vorwort zu Webers Buch verfasst. Was bei und nach der Privatisie­rung der CA passierte, „geschah ohne Not“, sagte Androsch und zitiert einen Satz des Ökonomen Joseph A. Schumpeter: „Der Zustand des Geldwesens eines Volkes ist ein Symptom aller seiner Zustände.“Die Zustände in der Zwischenkr­iegszeit hat Weber akribisch nachgezeic­hnet. Um die Lücke zu heute zu schließen, hält Androsch allerdings eine Aufarbeitu­ng der vergangene­n 20 Jahre, die den endgültige­n Untergang der Creditanst­alt besiegelte­n, für geboten.

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