Kaum vorbereitet auf ältere Mitarbeiter
Das Durchschnittsalter am Arbeitsplatz steigt. Firmen sehen den demografischen Wandel kommen, sind dafür aber noch kaum gerüstet.
WIEN. Die Lebenserwartung steigt kontinuierlich, laut Statistik liegt sie aktuell bei 78 Jahren für Männer und bei 83 Jahren für Frauen. Weil trotz Zuwanderung die Zahl jüngerer Arbeitnehmer sinkt und auch die Geburtenrate von 1,47 Kindern pro Frau nicht ausreicht, um die Bevölkerungszahl stabil zu halten, wird die Altersgruppe der über 50Jährigen in den nächsten Jahren eine immer wichtigere Rolle spielen.
Das ist nicht nur der demografischen Entwicklung geschuldet, es entspricht auch den politischen Zielsetzungen der Bundesregierung. Sie verspricht sich von einem höheren Pensionsantrittsalter Mehreinnahmen bei den Sozialversicherungsbeiträgen und eine nachhaltige Senkung der laufenden Pensionszahlungen.
Doch auf diese Entwicklung sind bisher weder Betriebe noch die politischen Entscheidungsträger ausreichend vorbereitet. Zu diesem Schluss kommt nicht nur die Arbeitspsychologin Gisela Obermayr nach jahrelanger Erfahrung und Beratung in Betrieben. Das belegt auch eine Umfrage unter 1000 Personen, die das Institut meinungsraum.at im Februar durchgeführt hat.
Sie besagt, dass sich ein Viertel der Personalentscheider bewusst ist, dass der demografische Wandel ihr Unternehmen in Zukunft „sehr stark betreffen“werde. Zugleich sind aber nur fünf Prozent der Ansicht, ihr Betrieb sei schon sehr gut darauf vorbereitet.
Dazu gehöre, dass Unternehmen die Gesundheit ihrer Mitarbeiter als strategisches Thema wahrnehmen und ihr den entsprechenden Stellenwert beimessen. Das ist aber noch die Ausnahme. Laut Umfrage setzt die Hälfte der Betriebe keine Maßnahmen in diese Richtung. Immerhin geben aber zehn Prozent an, ihr Unternehmen tue in diesem Bereich „sehr viel“.
Ein möglicher Schritt wäre das Anpassen der Arbeitszeit an die jeweilige Lebenssituation, etwa in Form von Altersteilzeit. Jedes siebte Unternehmen bietet zudem gesundheitsbezogene Maßnahmen an, wie ärztliche Untersuchungen oder sportliche Aktivitäten .
Arbeitspsychologin Obermayr unterstreicht die hohe Bedeutung langjähriger Prävention in Form von körperlicher Fitness und geistiger Flexibilität. Beginne man damit idealerweise bereits ab dem 25. Lebensjahr, „kann dadurch auch die Arbeitsfähigkeit und Produktivität von Arbeitnehmern jenseits der 50 nachhaltig gesteigert werden“, sagt sie. Solche Mitarbeiter blieben länger gesund und seien besser einsetzbar. Das spare Firmen Geld, zugleich profitierten sie vom Erfahrungsschatz älterer Beschäftigter.
Mit dem Alter nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit ab. Zugleich verbessern sich aber „weiche Faktoren“wie soziale Kompetenzen, Qualitäts- und Verantwortungsbewusstsein, Erfahrungswissen und die Problemlösefähigkeit, zeigen Studien. Zugleich werden Mitarbeiter ab 50 bei jüngeren Kollegen als weniger belastbar, unflexibler und öfter krank erlebt. Obermayr weist auch auf eine längere Regenerationsdauer für ältere Personen hin. Mehr als zehn Stunden Arbeit erhöhten die Unfallhäufigkeit, sagt sie.
Vor diesem Hintergrund erscheint die geplante Lockerung des Kündigungsschutzes durch die Regierung als zweischneidiges Schwert. In der Umfrage sprechen sich 60 Prozent (eher) für die Beibehaltung der strengeren Bestimmungen aus. Aber fast jeder Zweite sieht auch Nachteile, weil dafür Arbeitnehmer vor dem 50. Geburtstag entlassen oder ab 50 seltener angestellt würden.
„In Betrieben fehlt es oft am Bewusstsein.“