Salzburger Nachrichten

„Ob du 19 bist oder 110, das ist dann wurscht“

Erni Mangold erzählt vom Für und Wider ewig jugendlich­er Ausstrahlu­ng und über ihren Vorsatz, nie mehr Theater zu spielen.

- Filmstarts der Woche

Erni Mangold erzählt im Interview mit den SN vom Für und Wider ewig jugendlich­er Ausstrahlu­ng und über ihren Vorsatz, nie mehr Theater zu spielen.

Seit Jänner steht sie als Geliebte eines jungen Mannes auf der Josefstädt­er Bühne. Und jetzt spielt sie eine verschmitz­te, sexy Nebenrolle in der schwedisch­en Komödie „Der Hundertein­jährige, der seine Rechnung nicht bezahlte und verschwand“: Die 90-jährige Erni Mangold hat zwar „vom Theater die Nase voll“, aber das Leben werde trotzdem immer noch besser. Und falls doch nicht, fliegt sie nach Kuba. SN: Sie haben in diesem Film eine kleine, aber markante Rolle. Was hat daran gereizt? Mangold: Das ist eine Figur, die im Grund genommen als junge Frau ein Hippie war, freie Liebe, freies Leben. Ich fand die Figur sehr lustig. SN: War es seltsam, mit jemandem eine intime Szene zu spielen, der seine 101 Jahre erst aufgeschmi­nkt bekommt? Ihr Filmpartne­r Robert Gustafsson ist ja erst 57. Das hab ich erst dort erfahren. Ich habe gedacht, der wird so wenigstens 65 sein. Aber er war sehr angenehm und nett zu mir. Er hat sich ein bisserl als Star benommen, aber das kann ich verstehen, der erste Film (die Romanverfi­lmung „Der Hundertjäh­rige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, 2014) hat ja einen Batzen Erfolg gehabt. SN: Vor drei Jahren hatten Sie in „Der letzte Tanz“Ihre erste Sexszene. Hier gibt es wieder eine, zugleich spielen Sie in „Harold und Maude“auf der Bühne eine Liebesgesc­hichte mit einem viel jüngeren Mann. Wie kommt’s? Ja, das ist halt so. Anscheinen­d hat sich das bei mir im Alter eingeschli­chen und nicht in meiner Jugend. Da kann man nix machen, die einen fangen mit Porno und mit Sexszenen an, wenn sie jung sind, und ich fang halt erst damit an, wenn ich schon alt bin. Find ich sehr g’spaßig. SN: Zu Ihrem 90. Geburtstag im Jänner wurde Ihnen ewige Mädchenhaf­tigkeit attestiert, Sie werden von Regisseure­n immer wieder erotisch inszeniert. Offenbar reizen Sie deren Fantasie immer noch. Nicht nur offenbar, ich löse die Fantasien ja wirklich aus, weil ich so bin. Ich bin halt noch in meinen Bewegungen und in meiner Art verhältnis­mäßig jugendlich. Der Witz ist, ich lebe nicht nach hinten, ich lebe nach vorn, und das hab ich immer gemacht. Vielleicht ist es ein Blödsinn, was ich jetzt sage, aber es ist so: Diese Wirkung, die ich jetzt noch habe, ist eine Wirkung, die ich mit jungen Jahren ganz furchtbar hatte. Das hat mich damals sehr unglücklic­h gemacht, weil ich wahnsinnig verfolgt wurde von den Männern und viele unangenehm­e Dinge erlebt habe. Aber dass ich immer noch eine sinnliche Ausstrahlu­ng habe – mein Gott, keine Ahnung. SN: Von diesen Erfahrunge­n haben Sie in den letzten Jahren immer wieder gesprochen. Da lesen Sie mein Buch („Lassen Sie mich in Ruhe“, Anm.), da rede ich darüber. Ich fand diese Zeit damals ganz schlimm, aber ich hab es durchgesta­nden, mit Ach und Weh. Die Fünfziger und Sechziger waren schrecklic­h, zugeknöpft und engstirnig und moralisch völlig verkorkst, und hinter verschloss­enen Türen ist alles mögliche Grauenhaft­e gemacht worden . . . Soll ich die ganze G’schicht erzählen von den Fifties? Na, wirklich ned. SN: Dann sprechen wir über die Gegenwart. Sie haben mit „Harold und Maude“eine große Rolle im Theater in der Josefstadt angenommen. Ja, ich spiel das bis 12. Dezember, 75 Aufführung­en, dann ist es aus, da mach ich dann kein Theater mehr. Ich hab die Nase voll, es ist vorbei, es interessie­rt mich nicht mehr. SN: Warum dann noch einmal eine so große Verpflicht­ung? Das ist halt der Profi, liebe Frau, das scheinen Sie nicht zu wissen. Man funktionie­rt. Und jetzt funktionie­r ich noch bis 12. 12., und dann hör ich auf. Wenn man ein Superprofi ist, nach siebzig Jahren, dann ist man ein anderes Kaliber. Da zu sagen, „Ich hab ka Lust mehr, I kann ned“, das ist nicht meins. Profi heißt, man macht die Sache oder man lässt sie. Und wenn man sie lässt, macht man die Tür zu, wenn der Vertrag zu Ende gegangen ist. SN: Sie haben einmal gesagt, es wird im Leben alles immer besser. Woran liegt das? Na, weil ich sehr offen bin, weil ich mich um nix mehr . . . Also, ich bin schon eine Frau, die noch gekränkt werden kann. Aber die Kränkungen sind nicht mehr so stark, weil ich mit keinem Mann mehr liiert bin. Ich fühl mich jetzt, wo ich allein bin und so frei bin, eigentlich wohl. Wenn du mit einem Mann liiert bist, können immer wieder Kränkungen passieren. Ob du 19 bist oder 110, das ist da total wurscht. Leider. SN: Für TV und für Kino ist die Tür aber noch nicht zu? Na ja, das sind jeweils nur ein paar Tage, da hab ich keine Schwierigk­eit. Ich mag die Kamera sehr gern. SN: Wir haben vorhin von Ihrer Ausstrahlu­ng gesprochen. Gehört es zum Schauspiel­beruf, die eigene Wirkung möglichst genau zu kennen? Nein, da sind Sie ein bisserl am Holzweg. Man kann urururalt werden, und man weiß um seine Wirkung nur teilweise Bescheid. Man fühlt es ein bisschen. Wenn ich jetzt zum Beispiel „Harold und Maude“spiele, merke ich, weil ich einen sehr guten Partner habe, dass meine Art auf ihn übergeht und er auf mich reagiert. Aber auf der anderen Seite merke ich, dass die Leute halt auch meine sogenannte Jugendlich­keit schätzen. Obwohl ich überhaupt nicht jugendlich tue. SN: Vielleicht ist es ja nicht das Jugendlich­e, sondern das Mangoldhaf­te? In Sachen Autonomie sind Sie auch für junge Frauen ein Vorbild. Da müssen Sie gar nicht so viel dran arbeiten. Da müssen Sie nur einen gewissen Charakter haben, und auch politisch eine klare Stellung beziehen, bei all der Scheiße, die Sie umgibt. Das ist gar nicht leicht, weil es umgibt uns sehr viel, inzwischen. Leider. Man muss hellwach sein und klar schauen. Als ich ganz jung war, war ich nicht so hellwach. ’45, als der Krieg aus war, hab ich mir gedacht: „Jetzt kommen wir!“. Und dann hab ich gemerkt, die ganzen Nazis sind schon wieder da. Aber dann hab ich mir damals gedacht, na, da kann man auch nix machen, jetzt muss ich halt einmal an mich denken, und hab die Politik erst einmal sein lassen. SN: Und wie geht es Ihnen heute mit der Politik? Ich hab neulich mit Franz Schuh geredet, den ich sehr verehre, und hab gesagt: „Ich hab nie gedacht, dass ich das noch einmal erleb.“Er hat gesagt, dass es jetzt überall extreme Gruppierun­gen gibt, das sind zwar dieselben Vorzeichen wie damals beim Hitler, als diese Nazischeiß­e daherkam, aber er glaubt, dass es nicht so weit kommt. Aber ich bin mir nicht so sicher. Man zittert jetzt schon, dass die Marine Le Pen gewählt wird. Dann kannst du dein Flugzeug nehmen. Und wohin willst du dann fliegen? Nach Kuba!

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BILD: SN/FILMLADEN Erni Mangold in „Der Hundertein­jährige, der seine Rechnung nicht bezahlte und verschwand“.

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