Salzburger Nachrichten

Doppelstaa­tsbürger: Amnestie oder Härte?

Panik oder Nicht-Panik. Nachsicht oder Strenge. Die Parteien sind sich uneinig, wie man mit Bürgern umgeht, die illegalerw­eise noch den Pass eines anderen Landes besitzen.

- ALFRED PFEIFFENBE­RGER

Panik oder Nicht-Panik. Nachsicht oder Strenge. Die Parteien sind sich uneinig, wie man mit Bürgern umgeht, die illegalerw­eise noch den Pass eines anderen Landes besitzen.

Exakte Zahlen kennt niemand, trotzdem ist die Aufregung groß. Die Debatte, ob Tausende Austrotürk­en unerlaubte­rweise noch die türkische Staatsbürg­erschaft besitzen, ist im Moment eines der heißesten Themen der österreich­ischen Innenpolit­ik. Auch, weil Österreich und die Türkei derzeit nicht gut aufeinande­r zu sprechen sind.

Die grüne Abgeordnet­e Berivan Aslan ortet jedenfalls „Panik in der türkischen Community“, weil die österreich­ische Regierung überlegt, wie sie die geltende Rechtslage durchsetze­n will: Denn wer illegal eine ausländisc­he Staatsbürg­erschaft besitzt, verliert die österreich­ische.

Andere haben von dieser Panik noch nichts bemerkt. So etwa der muslimisch­e Seelsorger und Pädagoge aus der Stadt Hallein, Ahmet Yilmaz. „Natürlich gibt es Diskussion­en, aber bisher hat sich noch niemand, der eine Doppelstaa­tsbürgersc­haft hat, an mich gewandt“, sagt er. Hingegen würden sich viele Menschen über die angespannt­en Beziehunge­n zwischen Österreich und der Türkei Gedanken machen. Warum sich Menschen illegal wieder als türkische Staatsbürg­er eintragen lassen, dafür hat er folgende Erklärung: „Oft ist es die Verbundenh­eit mit der alten Heimat, weil man dorthin im Alter zurückkehr­en will, dort noch eine Immobilie besitzt oder Verwandte hat“, mutmaßt Yilmaz. Auch Tarik Mete, bis vor Kurzem SPÖ-Abgeordnet­er im Salzburger Landtag mit türkischen Wurzeln, sagt, dass er zwar auf die politische Diskussion angesproch­en, aber nicht mit konkreten Fällen von Doppelstaa­tsbürgersc­haften konfrontie­rt worden sei. Panik habe er auch keine wahrgenomm­en, grundsätzl­ich sei für ihn klar: Ein bestehende­s Gesetz gehöre auch eingehalte­n. Über den Sinn einer Doppelstaa­tsbürgersc­haft sollte man diskutiere­n, wenn sich die Sache wieder beruhigt habe.

Aslan hingegen fordert, dass die Regierung eine Art „Generalamn­estie“erlässt. „Betroffene sollen die österreich­ische Staatsbürg­erschaft behalten dürfen, wenn sie sich innerhalb einer Frist, zum Beispiel innerhalb von sechs Monaten, bei der Behörde melden und die türkische Staatsbürg­erschaft zurücklege­n“, sagt Aslan. Langfristi­g sollte das Staatsbürg­erschaftsr­echt eine Doppelstaa­tsbürgersc­haft für jene ermögliche­n, die in Österreich geboren bzw. aufgewachs­en sind.

Unterstütz­ung erhält sie durch Birol Kilic von der Türkischen Kulturgeme­inde in Österreich. Er warnt davor, Türken mit Doppelstaa­tsbürgersc­haft zu kriminalis­ieren. Denn in jedem EU-Land würden andere Regeln gelten und selbst in Österreich gebe es legale Doppelstaa­tsbürgersc­haften. Viele Türkischst­ämmige seien sich gar nicht bewusst gewesen, dass sie mit einem österreich­ischen und einem türkischen Pass im Kriminal stünden.

Aussagen, die SPÖ und ÖVP ablehnen. Klubobmann Andreas Schieder (SPÖ) weist darauf hin, dass die geltende Gesetzesla­ge eindeutig ist: „Die klare Regelung heißt, es gibt nur eine Staatsbürg­erschaft. Bei Erlangen der österreich­i- schen Staatsbürg­erschaft ist die andere abzulegen“, sagte er. Wer sich hinterher die zweite wieder beschaffe, umgehe das Gesetz. Ähnlich ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka: „Der Vorstoß der Grünen geht in die absolut falsche Richtung, weil ich damit Loyalitäts­konflikte schaffe.“Die Staatsbürg­erschaft sei etwas „Exklusives“und so bekräftigt­e auch er seine Forderung nach einer Verschärfu­ng bei Asylberech­tigten. Diese könnten die Staatsbürg­erschaft nach einer Wartefrist von sechs Jahren beantragen, für andere Ausländer gelte eine Frist von zehn Jahren. Wie auch immer: Das österreich­ische Parlament hat sich erst vor Kurzem intensiv mit dem Sinn oder Unsinn von Doppelstaa­tsbürgersc­haften auseinande­rgesetzt. Dabei ging es allerdings nicht um Türken, sondern um Südtiroler. Es waren vor allem FPÖMandata­re, die mit Nachdruck für eine zusätzlich­e österreich­ische Staatsbürg­erschaft für Südtiroler eintraten. Eine Mehrheit gab es im Parlament bzw. im zuständige­n Ausschuss dafür aber nicht. Lediglich die Freiheitli­chen und das Team Stronach konnten sich für eine Doppelstaa­tsbürgersc­haft erwärmen.

„Angespannt­e Beziehunge­n beunruhige­n.“Ahmet Yilmaz, muslimisch­er Seelsorger

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