Doppelstaatsbürger: Amnestie oder Härte?
Panik oder Nicht-Panik. Nachsicht oder Strenge. Die Parteien sind sich uneinig, wie man mit Bürgern umgeht, die illegalerweise noch den Pass eines anderen Landes besitzen.
Panik oder Nicht-Panik. Nachsicht oder Strenge. Die Parteien sind sich uneinig, wie man mit Bürgern umgeht, die illegalerweise noch den Pass eines anderen Landes besitzen.
Exakte Zahlen kennt niemand, trotzdem ist die Aufregung groß. Die Debatte, ob Tausende Austrotürken unerlaubterweise noch die türkische Staatsbürgerschaft besitzen, ist im Moment eines der heißesten Themen der österreichischen Innenpolitik. Auch, weil Österreich und die Türkei derzeit nicht gut aufeinander zu sprechen sind.
Die grüne Abgeordnete Berivan Aslan ortet jedenfalls „Panik in der türkischen Community“, weil die österreichische Regierung überlegt, wie sie die geltende Rechtslage durchsetzen will: Denn wer illegal eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzt, verliert die österreichische.
Andere haben von dieser Panik noch nichts bemerkt. So etwa der muslimische Seelsorger und Pädagoge aus der Stadt Hallein, Ahmet Yilmaz. „Natürlich gibt es Diskussionen, aber bisher hat sich noch niemand, der eine Doppelstaatsbürgerschaft hat, an mich gewandt“, sagt er. Hingegen würden sich viele Menschen über die angespannten Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei Gedanken machen. Warum sich Menschen illegal wieder als türkische Staatsbürger eintragen lassen, dafür hat er folgende Erklärung: „Oft ist es die Verbundenheit mit der alten Heimat, weil man dorthin im Alter zurückkehren will, dort noch eine Immobilie besitzt oder Verwandte hat“, mutmaßt Yilmaz. Auch Tarik Mete, bis vor Kurzem SPÖ-Abgeordneter im Salzburger Landtag mit türkischen Wurzeln, sagt, dass er zwar auf die politische Diskussion angesprochen, aber nicht mit konkreten Fällen von Doppelstaatsbürgerschaften konfrontiert worden sei. Panik habe er auch keine wahrgenommen, grundsätzlich sei für ihn klar: Ein bestehendes Gesetz gehöre auch eingehalten. Über den Sinn einer Doppelstaatsbürgerschaft sollte man diskutieren, wenn sich die Sache wieder beruhigt habe.
Aslan hingegen fordert, dass die Regierung eine Art „Generalamnestie“erlässt. „Betroffene sollen die österreichische Staatsbürgerschaft behalten dürfen, wenn sie sich innerhalb einer Frist, zum Beispiel innerhalb von sechs Monaten, bei der Behörde melden und die türkische Staatsbürgerschaft zurücklegen“, sagt Aslan. Langfristig sollte das Staatsbürgerschaftsrecht eine Doppelstaatsbürgerschaft für jene ermöglichen, die in Österreich geboren bzw. aufgewachsen sind.
Unterstützung erhält sie durch Birol Kilic von der Türkischen Kulturgemeinde in Österreich. Er warnt davor, Türken mit Doppelstaatsbürgerschaft zu kriminalisieren. Denn in jedem EU-Land würden andere Regeln gelten und selbst in Österreich gebe es legale Doppelstaatsbürgerschaften. Viele Türkischstämmige seien sich gar nicht bewusst gewesen, dass sie mit einem österreichischen und einem türkischen Pass im Kriminal stünden.
Aussagen, die SPÖ und ÖVP ablehnen. Klubobmann Andreas Schieder (SPÖ) weist darauf hin, dass die geltende Gesetzeslage eindeutig ist: „Die klare Regelung heißt, es gibt nur eine Staatsbürgerschaft. Bei Erlangen der österreichi- schen Staatsbürgerschaft ist die andere abzulegen“, sagte er. Wer sich hinterher die zweite wieder beschaffe, umgehe das Gesetz. Ähnlich ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka: „Der Vorstoß der Grünen geht in die absolut falsche Richtung, weil ich damit Loyalitätskonflikte schaffe.“Die Staatsbürgerschaft sei etwas „Exklusives“und so bekräftigte auch er seine Forderung nach einer Verschärfung bei Asylberechtigten. Diese könnten die Staatsbürgerschaft nach einer Wartefrist von sechs Jahren beantragen, für andere Ausländer gelte eine Frist von zehn Jahren. Wie auch immer: Das österreichische Parlament hat sich erst vor Kurzem intensiv mit dem Sinn oder Unsinn von Doppelstaatsbürgerschaften auseinandergesetzt. Dabei ging es allerdings nicht um Türken, sondern um Südtiroler. Es waren vor allem FPÖMandatare, die mit Nachdruck für eine zusätzliche österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler eintraten. Eine Mehrheit gab es im Parlament bzw. im zuständigen Ausschuss dafür aber nicht. Lediglich die Freiheitlichen und das Team Stronach konnten sich für eine Doppelstaatsbürgerschaft erwärmen.
„Angespannte Beziehungen beunruhigen.“Ahmet Yilmaz, muslimischer Seelsorger