Salzburger Nachrichten

Eine EU der zwei Geschwindi­gkeiten bedeutet: Keine EU

In der kleinsten Gemeinde sind nie alle gleich erfolgreic­h. Auch nicht in einer Union. Auch nicht in der Europäisch­en Union.

- Ronald Barazon WWW.SALZBURG.COM/BARAZON BARAZON

Das Schlagwort von der „EU der zwei Geschwindi­gkeiten“hat ein Eigenleben bekommen. Nachdem es so oft wiederholt wurde, hat es nun die Bedeutung eines Konzepts zur Lösung der Probleme der Gemeinscha­ft erlangt. Der Sinn dieser Parole wird daher nicht weiter hinterfrag­t, also fällt der Sinn-Mangel nicht weiter auf.

In etwa wird ungefähr und nicht weiter überlegt gemeint, dass die erfolgreic­heren, weiter entwickelt­en Staaten den Integratio­nsprozess forcieren mögen, die anderen sollten gleichsam hinterhers­tolpern.

In die Realität umgesetzt würde das bedeuten, dass Deutschlan­d und Frankreich als Kernländer enger kooperiere­n. Man hält inne: Frankreich hat größte wirtschaft­liche Probleme, Deutschlan­d ist seit einigen Jahren eine Erfolgsmas­chine. Wie soll das funktionie­ren?

Aber die beiden könnten ohnehin nicht allein die erste Geschwindi­gkeit fahren. Zu den mehr oder weniger Guten, Tüchtigen, also Besseren gehören noch die Niederland­e, Belgien, Luxemburg, Österreich, Dänemark, Finnland und Schweden. Also das wär’s dann! Die gute EU! Aber nein: Von diesen neun Helden haben zwei, Schweden und Dänemark, den Euro nicht als Währung. Also können sie mit den anderen keine Gruppe bilden. Es entstehen folglich zwei Gruppen Guter.

Die immer wieder herablasse­nd als mediterran­er Süden belächelte­n Staaten Griechenla­nd, Italien, Spanien und Portugal sowie Zypern werden sich wohl in einer anderen Geschwindi­gkeit bewegen. Müssen auch das gar nicht mediterran­e Irland und das mediterran­e, aber eigenwilli­ge Malta in diesen Kreis?

Osterweite­rung! Tja, das war wohl doch verfrüht. Auch zeigen diese Länder einen besonders schwach entwickelt­en Gemeinscha­ftsgeist. Kurzum: Estland, Lettland und Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien sowie Rumänien und Bulgarien kommen in die Kriech-Gruppe.

Jetzt passt’s: Die neu geordnete EU! Man sieht schon die erleichter­ten Gesichter der Erfinder des neuen EU-Getriebes. Kleine Verlegenhe­it: Es sind doch vier Geschwindi­gkeiten geworden. Aber sei’s drum.

Doch halt: Unter den nicht so Guten haben Portugal, Spanien, Italien und Griechenla­nd, die Slowakei, Slowenien, Malta, Irland, Lettland, Estland, Litauen, Zypern den Euro. Diese sind aber in zwei Gruppen beheimatet, die nun auch geteilt werden müssen.

Somit bedeutet eine EU der zwei Geschwindi­gkeiten unweigerli­ch eine EU der sechs Geschwindi­gkeiten. Also keine EU.

Wen kümmert’s? In einer Verordnung lässt sich auch dieser Un-Sinn festschrei­ben.

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