Eine EU der zwei Geschwindigkeiten bedeutet: Keine EU
In der kleinsten Gemeinde sind nie alle gleich erfolgreich. Auch nicht in einer Union. Auch nicht in der Europäischen Union.
Das Schlagwort von der „EU der zwei Geschwindigkeiten“hat ein Eigenleben bekommen. Nachdem es so oft wiederholt wurde, hat es nun die Bedeutung eines Konzepts zur Lösung der Probleme der Gemeinschaft erlangt. Der Sinn dieser Parole wird daher nicht weiter hinterfragt, also fällt der Sinn-Mangel nicht weiter auf.
In etwa wird ungefähr und nicht weiter überlegt gemeint, dass die erfolgreicheren, weiter entwickelten Staaten den Integrationsprozess forcieren mögen, die anderen sollten gleichsam hinterherstolpern.
In die Realität umgesetzt würde das bedeuten, dass Deutschland und Frankreich als Kernländer enger kooperieren. Man hält inne: Frankreich hat größte wirtschaftliche Probleme, Deutschland ist seit einigen Jahren eine Erfolgsmaschine. Wie soll das funktionieren?
Aber die beiden könnten ohnehin nicht allein die erste Geschwindigkeit fahren. Zu den mehr oder weniger Guten, Tüchtigen, also Besseren gehören noch die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Österreich, Dänemark, Finnland und Schweden. Also das wär’s dann! Die gute EU! Aber nein: Von diesen neun Helden haben zwei, Schweden und Dänemark, den Euro nicht als Währung. Also können sie mit den anderen keine Gruppe bilden. Es entstehen folglich zwei Gruppen Guter.
Die immer wieder herablassend als mediterraner Süden belächelten Staaten Griechenland, Italien, Spanien und Portugal sowie Zypern werden sich wohl in einer anderen Geschwindigkeit bewegen. Müssen auch das gar nicht mediterrane Irland und das mediterrane, aber eigenwillige Malta in diesen Kreis?
Osterweiterung! Tja, das war wohl doch verfrüht. Auch zeigen diese Länder einen besonders schwach entwickelten Gemeinschaftsgeist. Kurzum: Estland, Lettland und Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien sowie Rumänien und Bulgarien kommen in die Kriech-Gruppe.
Jetzt passt’s: Die neu geordnete EU! Man sieht schon die erleichterten Gesichter der Erfinder des neuen EU-Getriebes. Kleine Verlegenheit: Es sind doch vier Geschwindigkeiten geworden. Aber sei’s drum.
Doch halt: Unter den nicht so Guten haben Portugal, Spanien, Italien und Griechenland, die Slowakei, Slowenien, Malta, Irland, Lettland, Estland, Litauen, Zypern den Euro. Diese sind aber in zwei Gruppen beheimatet, die nun auch geteilt werden müssen.
Somit bedeutet eine EU der zwei Geschwindigkeiten unweigerlich eine EU der sechs Geschwindigkeiten. Also keine EU.
Wen kümmert’s? In einer Verordnung lässt sich auch dieser Un-Sinn festschreiben.