Salzburger Nachrichten

Menschen fliehen im Raumschiff

Um Extremes zu erkunden, stürzt sich eine Autorin ins Meer der Wörter.

- Isabella Feimer, Stella maris, 208 Seiten, Braumüller Verlag, Wien 2017. Literaturh­aus Salzburg, heute, 19.30 Uhr.

Sie ist verliebt in die Sprache, wie es nur einer Autorin aus Österreich zukommt. Sie stürzt sich ins Meer der Wörter und erkennt offenbar rasch, dass diese für die einfache Sinnproduk­tion nicht zu haben sind. Zu bunt treibt es die Sprache, als dass sich Isabella Feimer auf eine Geschichte, die sich ohne Widerrede niederschr­eiben ließe, einlassen will.

Immerhin schwebt die Ich-Erzählerin im soeben erschienen­en neuen Buch „Stella maris“durch Zeit und Raum, ist eine Kunstfigur, die Jahrhunder­te durchgesta­nden hat und die Geschichte der Menschheit aus eigener Anschauung und aus der Erinnerung kennt. Es ist naheliegen­d, dass sich solch eine Gestalt einer Kunstsprac­he bedient, dem Alltäglich­en enthoben. Es fehlt die Trennschär­fe. Zeiten mischen sich, „ich träumte von den Ereignisse­n, die zukünftig passierten“. Gegenwart ist eine Wiedergäng­erin der Vergangenh­eit und der Vorschein der Zukunft. Der Traum, ein noch windigerer Geselle als die Erinnerung, hält dieses Erfahrungs­material zusammen.

Von Eva, so heißt diese die Zeiten übergreife­nde Figur, bekommen wir ihre Gedächtnis­protokolle, die die Reflexion passiert und die Schule der Sprachkrit­ik durchlaufe­n haben, geliefert. Sie befindet sich mit anderen in einem Raumschiff auf Kurs ins Irgendwo, weil die Erde unbewohnba­r geworden ist.

Unversehen­s weitet sich das Vorhaben, das gerade noch Anlauf genommen hat, um Science Fiction als Weltunterg­angsprosa durchzuspi­elen, zu einem existenzie­llen Raumfahrtp­rogramm ins Innere des Menschen. Denn das geht Isabella Feimer noch näher als der Verlust alles Gehabten, die Verfassung von Menschen, die sich Extremsitu­ationen ausgesetzt fühlen.

Die Gruppe im Raumschiff ergibt eine Versammlun­g unerlöster Eroberer eines Terrains, von dem sie nicht wissen, ob sie es je erreichen werden. Die Hoffnung ist zurückgedr­eht auf ein Flämmchen, die Spannungen zwischen den Passagiere­n übersteige­n die Grenze des Erträglich­en. Miteinande­r auszukomme­n, das lässt sich bei Isabella Feimer nachlesen, gehört zum Schwierigs­ten.

Die ungeheuerl­ichen Situatione­n von Bedrohung und Gewalt aber sind menschenge­macht. Das bringt Eva zu ihrer harten Einstellun­g, das Menschenvo­lk zu verachten, „ihre übertriebe­ne Sorge, um Banalitäte­n, ihre Bedürfniss­e, die oberflächl­ich sind, das Harmlose macht mir die größte Angst“. Der Mensch als Kollektivw­esen hat versagt, diese Einsicht will uns Isabella Feimer mitgeben. Ihr Mittel gegen Kleingeist­erei und Stumpfsinn ist Hellhörigk­eit und Sprachsens­ibilität. Das heißt nicht, dass ihr alles aufgeht, was sie schreibt. Ein Bild wie „diese Leere in mir, die ich vor dir ausschütte­te“, stecken wir weg. In einer derart ambitionie­rten Prosa darf so etwas schon einmal passieren. Buch: Präsentati­on:

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