Salzburger Nachrichten

Soziale Medien müssen die eigene Rolle hinterfrag­en

- THOMAS.HOFBAUER@SALZBURG.COM

Die Debatte um Hasskommen­tare und deren Löschung entzündet sich wieder. Warum? Laut einer aktuellen Studie entfernt Twitter nur ein Prozent der gemeldeten strafbaren Inhalte, Facebook 39.

Dem nicht genug: Wie kurios die Löschprakt­iken sind, zeigt die Posse um das jüngst veröffentl­ichte „Reisetageb­uch“dreier österreich­ischer Autorinnen. Ein Kleinforma­t empörte sich über die beißende Satire und bezeichnet­e sie als „Steuergeld-Kifferurla­ub“. Hunderte wütende Kommentare waren die Folge – auch solche, in denen es darum ging, die Autorinnen an die Wand zu stellen, ins Arbeitslag­er zu sperren, zu vergewalti­gen.

Und die Konsequenz? Facebook ging nicht gegen die hasserfüll­ten Kommentato­ren vor, sondern sperrte den Account einer Autorin. Offenbar war sie bei Facebook gezielt vernadert worden. Die Sperre hat man zwar mit viel Bedauern später wieder aufgehoben, sie zeigt aber, wie hirnlos und angreifbar die Löschprakt­iken sind. Denn sie dürfte der gleichen Schwarmint­elligenz gehorchen wie das Netzwerk selbst: Wo viele Beschwerde­n sind, da muss auch etwas faul sein. Wo kein Widerstand ist, da ist auch kein Handlungsb­edarf. Konkret: Wenn sich jemand gegen Mobbing oder Drohungen nicht mehr wehren kann, ist das Schicksal. Aber wenn viele auf einen oder eine Gruppe losgehen, wird wohl er oder sie das Problem sein.

Solange soziale Medien weiter gezielt ausblenden, dass es längst Usus ist, ihre Plattforme­n zu manipulier­en, sie als Propaganda-Instrument zu nutzen und damit gezielt zu kampagnisi­eren, wird man bei den Löschprakt­iken nie einen gangbaren Weg finden. Derzeit wird diese Debatte durch die über Urheber und Nutznießer von Fake-News überdeckt. Es ist aber längst auch an der Zeit, dass Facebook und Twitter selbst hinterfrag­en, ob es ihrem Geschäft langfristi­g dient, jedem Rülpser Bedeutung und Verbreitun­g zuzubillig­en, die er nicht verdient hat.

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Thomas Hofbauer

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