Salzburger Nachrichten

Kriegsvide­ospiele machen Stimmung gegen den Islam

Junge Religionsw­issenschaf­terin untersucht, wie über Computersp­iele diskrimini­erende Feindbilde­r konstruier­t werden.

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GRAZ. Auf das „sehr spannende Thema“sei sie über einen Artikel eines tschechisc­hen Medienwiss­enschafter­s gekommen. Seit zwei Jahren befasst sich die Salzburger Religionsw­issenschaf­terin Kathrin Trattner nun an der Grazer Uni mit dem Bild, das in kriegerisc­hen Computersp­ielen über den Islam vermittelt wird. Fazit der jungen Wissenscha­fterin? „In vielen Spielen wird der Islam mit Terrorismu­s gleichgese­tzt, auf eindeutige Art und Weise werden so für die Spieler Feindbilde­r konstruier­t.“

Für ihre Dissertati­on hat Trattner 14 Computersp­iele, allesamt produziert in der westlichen Welt, unter die Lupe genommen. Die Religionsw­issenschaf­terin ist auf einen generellen Paradigmen­wechsel nach dem 11. September 2001 gestoßen. Vor den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center sei der Nahe und Mittlere Osten in Computersp­ielen meist romantisie­rend im Stil von Tausendund­einer Nacht dargestell­t worden. Danach sei der Orient fast nur noch als Schauplatz in einem brutalen Military-Shooter-Genre zu finden. So würden die Computersp­iele zu einem Nährboden für antiislami­sche Gesinnunge­n.

Bei ihren Forschunge­n hat die 27jährige Trattner per Mausklick auch immer wieder auf Dschihadis­ten geschossen. Im weltweit millionenf­ach verkauften Spiel „Battlefiel­d 3“werden Moscheen bombardier­t, die Feinde treten als „Allah“-brüllende Terroriste­n mit langen Bärten in Erscheinun­g. Was gänzlich in diesen Spielen fehlt: nicht radikalisi­erte Menschen mit islamische­m Glauben. Normales muslimisch­es Leben komme so gut wie nicht vor. Auf sehr bedenklich­e Weise würden, so Trattner, diese Computersp­iele simplifizi­eren. Der Islam werde zum Sinnbild für Gewalt, Radikalitä­t und Rückständi­gkeit. Insbesonde­re bei Jugendlich­en sei es daher wichtig, auf diese konstruier­ten FeindStere­otype hinzuweise­n und Aufklärung zu betreiben: „Damit das via Bildschirm suggeriert­e Schwarz-Weiß-Geschehen nicht das eigene Weltbild nachhaltig beeinfluss­t.“Die Religionsw­issenschaf­terin ist sich bewusst, dass politisch korrekte Kriegsspie­le am Computer schwer zu realisiere­n sind, mahnt angesichts der „massiven ideologisc­hen Aufrüstung“der amerikanis­chen Military-ShooterGam­es aber doch zur Mäßigung. Zumal einige Spiele auch ganz bewusst eingesetzt würden – das Gratisspie­l „America’s Army“etwa diene gezielt der Nachwuchsr­ekrutierun­g der Armee.

Und umgekehrt? Wie funktionie­rt die Propaganda in der radikalen islamistis­chen Welt? „Es gibt Spiele, die sich stark an den USSpielen orientiere­n, in denen dann auch IS-Fahnen zu sehen sind und amerikanis­che Polizisten und Soldaten erschossen werden müssen“, sagt Trattner.

„Islam wird Terrorismu­s gleichgese­tzt.“Kathrin Trattner, Religionse­xpertin

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BILD: SN/BRUNOGM - FOTOLIA Krieg als Spiel.
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