Salzburger Nachrichten

„Glück ist wichtiger als Schulnoten“

Ulrich Conrady betreut Spitzenspo­rtler mit seiner Schallther­apie. Jetzt appelliert er an die Eltern: „Entspannt euch!“

- Höd

Druck aus dem Alltag nehmen, zur Ruhe kommen und den Kindern eine sichere, hektikfrei­e Umgebung ermögliche­n: Das rät der deutsche „Neurocoach“Ulrich Conrady Eltern in seinem jüngsten Buch. Im SN-Gespräch erklärt er, wie er sich sein Konzept für mehr Gelassenhe­it in der Praxis vorstellt. SN: Sie arbeiten mit frequenzmo­dulierter Musik, um Stress zu beseitigen. Wie muss man sich das vorstellen? Conrady: Die Musik ist der Träger. Wichtig ist der Schall an sich. Der Schall kann die beruhigend­en Nervenbahn­en stimuliere­n. Dabei wird der ventrale Vaguskern stimuliert und damit das Kontakt- und Selbstberu­higungssys­tem des Körpers aktiviert. So ist unser Körper automatisc­h besser in der Lage, mit Belastunge­n von außen umzugehen. SN: Inwiefern kann das zu Hause Stress beseitigen – zum Beispiel, wenn schlechte Schulnoten für zusätzlich­e Spannungen sorgen? Wenn Eltern und ihre Kinder anpassungs­und handlungsf­ähiger sind, entsteht weniger Stress. Eltern sollen lernen, mit den Schulnoten stressfrei umzugehen, denn sonst löst der Organismus bei ihnen und ihren Kindern das sogenannte Kampf- oder Fluchtsche­ma aus. Auf der Flucht lesen, schreiben und rechnen lernen ist schwer. Wichtig ist auch, dass wir die Kinder annehmen, wie sie sind. Das Wichtigste ist die Botschaft: „Ich hab dich genau so lieb, auch wenn du mit einer schlechten Note kommst.“Kinder sind ja deshalb so liebenswer­t, weil sie Kinder sind, nicht, weil sie Einser nach Hause bringen. SN: Kurz gesagt: Es geht in der Erziehung um ein Maximum an Glück und nicht um ein Maximum an guten Schulnoten? Das Kind muss das Wichtigste sein, nicht die Note. Glück ist wichtiger als Schulnoten. Und wenn das Kind nach Hause kommt, muss es Sicherheit haben. Man muss dem Kind vermitteln: Hier bist du in Sicherheit. SN: Aber wie soll man das Kind dann zum Lernen motivieren? Das geht nur dann, wenn man in Ruhe und ohne Druck mit den Kindern darüber spricht, dass es von Vorteil für das spätere Leben ist, wenn man bessere Noten hat. Es ist aber nicht entscheide­nd. Nehmen Sie den Regierende­n Bürgermeis­ter von Berlin – er war Hauptschül­er, dann Kaufmann, hat kein Abitur und kein Studium. SN: Sie plädieren auch dafür, dass Mütter länger bei ihren Kindern bleiben sollen. Keine Krippe könne die Stimme, die Bewegungen, die Anwesenhei­t der Mutter ersetzen. Damit argumentie­ren Sie gegen den Trend zu mehr Kinderbetr­euungsplät­zen. Warum geht der Trend dahin? Das hat etwas mit der Wirtschaft zu tun – die Wirtschaft bestimmt die Politik. Bevor das Kind drei Jahre alt ist, ist eine Fremdbetre­uung sehr unpassend für ein kleines Kind. Wenn sich das Kind beruhigen soll und die eigene Mutter nicht da ist – soll dann eine fremde Frau der Ersatz dafür sein? Das wird nicht gelingen. Mütter müssen finanziell so gut gestellt sein, dass sie beim Kind bleiben können und nicht irgendwann zum Sozialamt gehen müssen. SN: Sie schreiben, die Gesellscha­ft sollte Mütter wieder Mütter sein lassen – und nennen das eine „moderne“Forderung. Was ist daran „modern“? Modern ist daran, dass wir die Kinder in den Vordergrun­d stellen, nicht die Wirtschaft, die billige Arbeitskrä­fte zur Verfügung haben will. Die Kinder sind unser Potenzial für die Zukunft. Heute wird den Leuten immer mehr beigebrach­t, sie würden leben, um zu arbeiten. SN: Genau das ist aber der Wunsch vieler Frauen – früh wieder in die Arbeit einzusteig­en. Das eine schließt das andere nicht aus. Arbeitszei­ten müssen dann aber flexibel sein – gleitende Arbeitszei­t und Arbeit von zu Hause aus. Wichtig ist, dass es keinen finanziell­en Grund gibt, das Kind in die Krippe zu geben. Die Gesellscha­ft sollte sich das etwas kosten lassen und jeder Mutter ein Leben lang einen Ausgleich zahlen.

„Kinder in den Vordergrun­d stellen.“Ulrich Conrady, „Neurocoach“

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