Salzburger Nachrichten

USA sind Europa drei Zinsschrit­te voraus

Die US-Notenbank nimmt die Unterstütz­ung für die Konjunktur schrittwei­se zurück. Die Europäisch­e Zentralban­k hält es dagegen für angebracht, die Zinsen weiter niedrig zu halten.

- RICHARD.WIENS@SALZBURG.COM

In der Geldpoliti­k gilt der Satz: „Timing is money.“Wie erfolgreic­h eine Notenbank damit ist, eine Währung stabil zu halten und eine Volkswirts­chaft zu steuern, hängt maßgeblich davon ab, ob sie die Zinsen zur richtigen Zeit senkt oder erhöht. In welche Richtung es in den USA geht, ist klar. Am Mittwoch beschloss die US-Notenbank, den Leitzins in den USA um einen Viertelpro­zentpunkt auf einen Korridor von 0,75 bis 1,0 Prozent anzuheben. Es ist die dritte Zinserhöhu­ng seit der Finanzkris­e.

Die Geldpoliti­k unterstütz­e die Stärkung des Arbeitsmar­ktes und die nachhaltig­e Rückkehr zu 2 Prozent Inflation, teilte die Federal Reserve Mittwochab­end mit. Präsidenti­n Janet Yellen hatte Anfang März darauf verwiesen, dass sich die Inflations­rate der 2-Prozent-Marke nähere und auf dem US-Arbeitsmar­kt nahezu Vollbeschä­ftigung erreicht sei. Daher sehe es die Notenbank als „angemessen an, zu einer neutralen Politik überzugehe­n“, sagte Yellen.

Die US-Notenbank hält es also für geboten, die Unterstütz­ung der Konjunktur über eine aggressive Geldpoliti­k mit niedrigen Zinsen allmählich auslaufen zu lassen. Das hat zum einen damit zu tun, dass auch sie sich offenbar schwer damit tut, die Wirtschaft­spolitik von Präsident Donald Trump einzuschät­zen. Falls der seinen Ankündigun­gen Taten folgen lässt und die US-Wirtschaft gegen Billigimpo­rte mit Zöllen abschottet, werden die Preise rasch steigen. Mit höheren Zinsen versuchen die Notenbanke­r zu starken Preissprün­gen vorzubeuge­n.

Dazu kommt, dass die Fed anders als die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) nicht nur auf die Preise schaut, sondern auch den Arbeitsmar­kt im Blick hat, von dem zuletzt gute Nachrichte­n kamen. Die Geldpoliti­k der Fed soll zur Vollbeschä­ftigung beitragen, bei einer Arbeitslos­enrate von zuletzt 4,7 Prozent sieht man dieses Ziel als erfüllt an. Zudem wurden im Februar rund 235.000 neue Stellen geschaffen, deutlich mehr als von Experten erwartet. Yellen & Co. wollen mit höheren Zinsen einer Überhitzun­g der US-Wirtschaft vorbeugen. Und sie wollen auch die Euphorie an den Börsen etwas bremsen, die seit Trumps Ankündigun­gen, Steuern senken und die Wirtschaft mit Investitio­nen ankurbeln zu wollen, in Rekordlaun­e sind.

Aber vertragen sich höhere Zinsen mit der Ansage Trumps, Amerikas Wirtschaft „great again“zu machen? Eher nicht, denn dabei käme ihm ein schwacher Dollar gelegen – US-Unternehme­n könnten dann leichter exportiere­n, Importe würden sich hingegen für die Amerikaner verteuern und sie, wie von Trump gefordert, stärker zu „Buy American“verleiten.

Mit sukzessive steigenden Zinsen wird der Wert der weltweit wichtigste­n Währung aber tendenziel­l steigen, das ist beim Versuch, die tiefrote Handelsbil­anz der USA zu verbessern, hinderlich. Und es engt den Spielraum der Regierung Trump ein, Schulden zu machen, um milliarden­schwere Investitio­nen zu finanziere­n. Zudem läuft just heute, Donnerstag, eine von Vorgänger Barack Obama ausgehande­lte Vereinbaru­ng aus, mit der die Schuldenob­ergrenze ausgesetzt wurde. Mit einer neuen Regelung muss Trump vermeiden, dass die USA spätestens im Sommer technisch pleite sind. Höhere Zinsen machen anderersei­ts den Dollar als Anlagewähr­ung attraktive­r, in Schwellenl­ändern fürchtet man, dass Investoren Kapital abziehen, um es in den USA zu veranlagen.

Wie geht es nach dem US-Zinsschrit­t in Europa weiter? Hier zeichnet sich noch länger keine Änderung ab, die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hat erst jüngst ihren Kurs bekräftigt. Sie will zumindest bis zum Jahresende an der Nullzinspo­litik und den milliarden­schweren Anleihekäu­fen festhalten. EZB-Chefvolksw­irt Peter Praet sagte noch am Mittwoch, dass man nicht vor einer Wende in der Geldpoliti­k stehe. „Wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn Leute damit anfangen, über Regimewech­sel oder Normalisie­rung zu reden.“Vor allem in Deutschlan­d drängt man auf einen allmählich­en Ausstieg aus der aggressive­n Geldpoliti­k. Wenn die Zinsen dies- und jenseits des Atlantiks weiter auseinande­rlaufen, wird das den Euro schwächen und Exporte erleichter­n. Der vielgescho­ltene deutsche Leistungsb­ilanzübers­chuss würde damit sicher nicht kleiner.

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BILD: SN/AP Janet Yellen hat es in der Hand.
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Richard Wiens

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