Die Welt isst eine Scheibe
Stellen Sie sich vor, alle Menschen würden friedlich den Atem anhalten, weil es in der Küche nach goldbraunen Palatschinken duftet. John Lennon würde sagen: „It isn’t hard to do.“
SALZBURG. SN-Leserin Barbara Landertinger hat uns ihr liebstes Rezept geschickt. Wir haben sofort angebissen. Was zunächst an einem Missverständnis lag. Barbara hatte ihrer Bewerbung eine Visitenkarte beigelegt, auf der WOP zu lesen war. Wir vermuteten WOP sei eine Abkürzung von Whopper. Das ist englisch und bedeutet Mords- oder Riesending. Riesen-Burger werden Whopper genannt. Der Gedanke gefiel uns. Es sollte sich aber herausstellen, dass WOP der Beruf unserer Hobbyköchin ist. Sie bietet „Wertorientierte Persönlichkeitsbildung“an. Das ist eine Art Mischung aus Psychologie und Philosophie, die die Vorstellungskraft des Menschen zur Geltung bringen lassen soll. Man kennt diese Technik auch als „Imagination“. Schon Immanuel Kant bezeichnete diese als „transzendentallogische Grundvoraussetzung für alle objektivierenden Relationen der Anschauung des Denkens“. Klingt kompliziert. Zusammengefasst könnte er damit auch nur „Kochen“gemeint haben.
Heute greifen wir also auf die Philosophie und die Psychologie zurück. Immerhin gibt es Topfenpalatschinken mit Himbeersauce. Bei der Zubereitung lässt Barbara das Wissen zweier Meister einfließen. Ihren Beruf hat sie bei Uwe Böschemeyer erlernt. Von ihm weiß sie: „Je mehr du dem Leben vertraust, desto öfter zeigt es sich von seiner hellen Seite.“So wie goldbraune Palatschinken, die ja auch nur gelingen, wenn man mit ruhiger Hand an der Pfanne rüttelt. Für das Tüpfelchen auf dem i sorgt bei ihr stets ein guter Freund der Familie namens Karl Eschlböck. Dieser gilt in Österreich als Urknall der Kochkunst. Karl meinte, sie solle bei der Topfenfülle die Butter aus der Rezeptur streichen. Stattdessen empfahl er einen Eidotter, geriebene Zitronenschale und ein paar Butterflocken. Wir lernen: Ein guter Koch studiert und denkt, ein super Koch imaginiert und lenkt.
Davon konnte auch John Lennon ein Lied singen. Sie wissen schon: „Imagine there’s no countries, it isn’t hard to do . . .“Wer denkt da nicht an Palatschinken? Schon der Name riecht nach Pazifismus und Geborgenheit. Er leitet sich vom lateinischen placenta ab. Wir kennen dieses Wort als „Mutterkuchen“. In Rumänien heißen Palatschinken Plăcintă, in Ungarn palacsinta und im slawischen Raum palačinka. Übersetzt heißt das alles zusammen „Kuchen“. In Polen heißen sie Nalešniki, in Schwaben Flädle, in Indien Appa, in Holland Poffertjes. Die schmecken sicher auch Türken, obwohl diese selbst super Gözleme haben. Sie sehen: Nichts verbindet Völker so sehr wie Palatschinken. Und das Beste kommt zum Schluss: Erinnern Sie sich noch an den Beginn dieser Geschichte? Da verwechselten wir WOP mit Whopper, also „Wertorientierte Persönlichkeitsbildung“mit Riesen-Burgern. Und wie heißen Palatschinken in Sri Lanka? Hopper! Bei Palatschinken sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Das wusste auch Albert Einstein. Er sagte: „Fantasie ist wichtiger als Wissen. Sie ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ein realer Faktor der wissenschaftlichen Forschung.“ SN-Info: