Salzburger Nachrichten

Der Staatsmann Rutte machte das Rennen

Der niederländ­ische Premier hat sich taktisch klug durch den Wahlkampf und den Streit mit der Türkei zum Wahlsieg manövriert.

- Stephanie Pack STEPHANIE.PACK@SALZBURG.COM

Der diplomatis­che Streit mit der Türkei war mitten in das niederländ­ische Wahlkampff­inale geplatzt. Davon konnte Premier Mark Rutte letztlich profitiere­n. Selbstvers­tändlich ist das nicht. Der liberal-konservati­ve Politiker hat vielmehr genau das richtige Maß an Strenge und Unnachgieb­igkeit gegenüber einer türkischen Regierung gezeigt, die ganz offensicht­lich auf Eskalation aus war.

Bevor sich der Disput zur diplomatis­chen Krise ausgewachs­en hatte, sprachen sich die Niederländ­er in Gesprächen auf bilaterale­r Ebene gegen Wahlkampfv­eranstaltu­ngen zum türkischen Referendum in ihrem Land aus. Diese seien während des nationalen niederländ­ischen Wahlkampfs nicht erwünscht, lautete das Argument der Regierung. Erst als die Türken diese Mahnung ignorierte­n, ergriff der Premier drastische­re Maßnahmen, bis zur Ausweisung der türkischen Familienmi­nisterin.

Im Fernsehdue­ll zwischen Rutte und seinem Kontrahent­en Geert Wilders richtete der Rechtspopu­list den Vorwurf an den Premier, er müsse noch schärfer reagieren und den türkischen Botschafte­r ausweisen. Seine Reaktion brachte Rutte die Stimmen vieler bis dahin Unentschlo­ssener ein: Er erklärte, was seiner Ansicht nach einen Staatsmann ausmacht, nämlich „mit vernünftig­en Maßnahmen“zu reagieren.

Vernünftig­e Maßnahmen zu setzen, das trauen viele Niederländ­er dem Rechtspopu­listen Wilders offensicht­lich nicht zu. Das gilt in wirtschaft­lichen Belangen, wo ihm weniger Kompetenz zugesproch­en wird als dem Liberalen Rutte. Das gilt aber auch bei dem von Wilders selbst ausgerufen­en „Kampf gegen die Islamisier­ung der Niederland­e“, in dem er mit verfassung­swidrigen Vorschläge­n wie der Schließung von Moscheen und einem Koranverbo­t wirbt.

Als Sieger sieht sich Wilders am Ende trotzdem, weil er die Themen des Wahlkampfs setzen konnte. Das stimmt zwar, aber in der entscheide­nden Debatte über die Einwanderu­ng haben seine Kontrahent­en ihm klugerweis­e nicht das Feld überlassen.

Rutte forderte in einem Brief von Muslimen Anpassung und die Akzeptanz niederländ­ischer Werte. Insgesamt rutschte er im Wahlkampf nach rechts – was ihm Kritik, aber eben auch Stimmen einbrachte.

Einwanderu­ng und Integratio­n brachten aber auch einer Partei auf der anderen Seite des politische­n Spektrums Stimmen: Die Grünen zählen zu den großen Gewinnern der niederländ­ischen Wahl und überzeugte­n ebenfalls mit einer klaren Position in der Debatte, klar für Offenheit und Toleranz.

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