Der Staatsmann Rutte machte das Rennen
Der niederländische Premier hat sich taktisch klug durch den Wahlkampf und den Streit mit der Türkei zum Wahlsieg manövriert.
Der diplomatische Streit mit der Türkei war mitten in das niederländische Wahlkampffinale geplatzt. Davon konnte Premier Mark Rutte letztlich profitieren. Selbstverständlich ist das nicht. Der liberal-konservative Politiker hat vielmehr genau das richtige Maß an Strenge und Unnachgiebigkeit gegenüber einer türkischen Regierung gezeigt, die ganz offensichtlich auf Eskalation aus war.
Bevor sich der Disput zur diplomatischen Krise ausgewachsen hatte, sprachen sich die Niederländer in Gesprächen auf bilateraler Ebene gegen Wahlkampfveranstaltungen zum türkischen Referendum in ihrem Land aus. Diese seien während des nationalen niederländischen Wahlkampfs nicht erwünscht, lautete das Argument der Regierung. Erst als die Türken diese Mahnung ignorierten, ergriff der Premier drastischere Maßnahmen, bis zur Ausweisung der türkischen Familienministerin.
Im Fernsehduell zwischen Rutte und seinem Kontrahenten Geert Wilders richtete der Rechtspopulist den Vorwurf an den Premier, er müsse noch schärfer reagieren und den türkischen Botschafter ausweisen. Seine Reaktion brachte Rutte die Stimmen vieler bis dahin Unentschlossener ein: Er erklärte, was seiner Ansicht nach einen Staatsmann ausmacht, nämlich „mit vernünftigen Maßnahmen“zu reagieren.
Vernünftige Maßnahmen zu setzen, das trauen viele Niederländer dem Rechtspopulisten Wilders offensichtlich nicht zu. Das gilt in wirtschaftlichen Belangen, wo ihm weniger Kompetenz zugesprochen wird als dem Liberalen Rutte. Das gilt aber auch bei dem von Wilders selbst ausgerufenen „Kampf gegen die Islamisierung der Niederlande“, in dem er mit verfassungswidrigen Vorschlägen wie der Schließung von Moscheen und einem Koranverbot wirbt.
Als Sieger sieht sich Wilders am Ende trotzdem, weil er die Themen des Wahlkampfs setzen konnte. Das stimmt zwar, aber in der entscheidenden Debatte über die Einwanderung haben seine Kontrahenten ihm klugerweise nicht das Feld überlassen.
Rutte forderte in einem Brief von Muslimen Anpassung und die Akzeptanz niederländischer Werte. Insgesamt rutschte er im Wahlkampf nach rechts – was ihm Kritik, aber eben auch Stimmen einbrachte.
Einwanderung und Integration brachten aber auch einer Partei auf der anderen Seite des politischen Spektrums Stimmen: Die Grünen zählen zu den großen Gewinnern der niederländischen Wahl und überzeugten ebenfalls mit einer klaren Position in der Debatte, klar für Offenheit und Toleranz.