Ob analog oder digital: Waren müssen eine Seele haben
Der Vormarsch des Digitalen weckt die Sehnsucht nach dem Angreifbaren und Echten. Doch das Rad lässt sich nicht zurückdrehen.
Noch vor ein paar Jahren hätte man die Augen verdreht: „Was will denn der? Das verkauft sich doch nicht mehr!“Mittlerweile steht er auf der Bühne, zumindest an diesem Abend: Die Rede ist von Florian Wachmann von der gleichnamigen Mühle im Feistritztal in der Steiermark. Der junge Bäckermeister wurde von der Kreativwirtschaft Austria für seine gelungene und nicht alltägliche Zusammenarbeit mit dem Werber Gregor Fink ausgezeichnet.
Wachmann ist dabei, ein uraltes Produkt wachzuküssen: sein Mühlenbrot, Schwarzbrot aus Natursauerteig in großen Laiben, nur aus Roggenmehl, Wasser und Salz, ganz ohne Hilfsmittel. Früher gab es in vielen Gemeinden einen Müller oder Sägewerker, der nebenbei Brot backte. Heute ist es kaum noch zu bekommen: Zu hart und teuer ist die Handarbeit, zu drückend die Billigkonkurrenz im Supermarkt.
Inzwischen ist die Sehnsucht der Konsumenten nach dem Echten wieder groß genug, um es noch einmal zu probieren. Doch nicht mehr so schnörkellos wie früher, heute ist der Broteinkauf ein Glaubensbekenntnis. Man will Werte, Geschichten, eine Herkunft schmecken. Also braucht das Schwarzbrot Namen, Logo, eine eigene Erzählung: dass das Brot in der Mühlenbäckerei an der Feistritz dank der betriebseigenen Wasserkraft klimaneutral und ohne Backhilfsmittel hergestellt wird. Das lernt der Kunde in einer schönen Broschüre und auf der Website im Internet. Das Brot braucht auch ein Vertriebskonzept: Bis nach Graz, Wien und ins Südburgenland liefert der Familienbetrieb und künftig vielleicht sogar noch weiter.
Das zeigt, dass die viel beschworene Renaissance der analogen Welt, der guten, echten Lebensmittel, der Plattenspieler für Vinylscheiben, der Armbanduhren mit mechanischem Uhrwerk nur ein Teil der Geschichte ist. Der andere ist, dass sich ein Produkt allein nur noch schwer verkaufen lässt. Ohne Seele, die sich dem Konsumenten erschließt, geht gar nichts. Produzenten müssen sich entscheiden, wie und nach welchen Werten sie arbeiten wollen, und dann die Tür weit aufmachen. Man muss mit Kunden reden. Und damit ist man auch schon mitten in der digitalen Welt.
Niemand kauft mehr nur Schwarzbrot allein. Man kauft Lifestyle, Natürlichkeit, Umweltschutz und Ehrlichkeit. Folglich muss man die analoge Welt des Echten, Angreifbaren mit der digitalen Welt der direkten, schnellen Kommunikation mit Kunden verheiraten. Genau deshalb machen Onlinehändler wie Amazon Buchläden und jetzt auch Lebensmittelgeschäfte auf. Wer analog und digital nicht zusammendenkt, wird früher oder später scheitern.