Salzburger Nachrichten

Kommen nun die Bettler wieder zurück?

Ein mögliches Ende des Bettelverb­ots sorgt für gemischte Gefühle. Die einen fürchten viele neue Bettler. Andere bezweifeln, dass sie überhaupt weg waren.

- ANTON PRLIĆ

Die Frau hat sich mit ihrem Rollstuhl einen prominente­n Platz ausgesucht. Zwischen Mariensäul­e und dem Salzburger Dom steht sie und bittet Passanten um Geld. Drei Touristen bleiben kurz stehen und sprechen mit ihr. Wie sich herausstel­lt, ist die Gruppe aus Moldawien und spricht deshalb genauso wie die Bettlerin Rumänisch. „Ich wollte von der Frau wissen, warum sie ausgerechn­et hier in Salzburg bettelt“, sagt der Tourist. „Sie hat mir gesagt, sie hat keine andere Möglichkei­t, an Geld zu kommen.“Während der Mann weitergeht, gibt seine Ehefrau der Bettlerin Geld.

Die Plätze rund um den Dom gehören zu jenen Orten in der Salzburger Innenstadt, in denen noch gebettelt werden darf. In großen Teilen der Innenstadt gilt allerdings ein sektorales Bettelverb­ot. Das droht allerdings zu kippen. Das Verfassung­sgerichtsh­of hat am Mittwoch in einem Beschluss angekündig­t, das Verbot einem Überprüfun­gsverfahre­n unterziehe­n zu wollen. „Eine sachliche Rechtferti­gung vermag der Verfassung­sgerichtsh­of derzeit nicht zu erkennen“, hieß es.

Franz Schützinge­r hat für diesen Beschluss kein Verständni­s. Sein Würstelsta­nd steht am Grünmarkt auf dem Universitä­tsplatz. Hier gilt das sektorale Verbot. Für ihn sei die Maßnahme eine Erleichter­ung gewesen. Gerade am Ausgang des Ritzerboge­ns seien immer besonders viele Bettler gesessen. „Für das Geschäft ist

das schon sehr schlecht“, sagt Schützinge­r. Die Kunde hätten die vielen Bettler irritiert. Für das Betteln habe er kein Verständni­s. „Es gibt in Salzburg so viele Stellen, wo es etwas zu essen gibt und man übernachte­n kann. Das Betteln muss nicht sein.“Ähnlich sieht das der Betreiber eines Kaffeehaus­es, der lieber nicht genannt werden will. Als das Bettelverb­ot zum ersten Mal gekippt worden sei, seien plötzlich über Nacht zahlreiche Bettler hier gewesen. Er habe kein Problem damit, wenn arme Menschen um etwas bitten würden. „Aber einen Betteltour­ismus nach Salzburg muss man nicht fördern.“Viele Gäste hätten ihn darauf angesproch­en, dass im Vergleich zu anderen Städten besonders viele Bettler in Salzburg seien. Das sektorale Bettelverb­ot habe die Situation in der Innenstadt deutlich verbessert. Wenn es jetzt gekippt werde, müsse man eine andere Lösung finden.

Ob die Bettler in Salzburg wirklich weniger geworden sind, darüber wird immer wieder diskutiert. Zählungen im Auftrag von Vizebürger­meister Harald Preuner (ÖVP) fanden zwischen 20 und 100 Bettler. Alina Kugler kann diese Ergebnisse nicht nachvollzi­ehen. Sie macht für den Verein Phurdo Sozialarbe­it mit Armutsmigr­anten. Ihrer Ansicht nach sind stets zwischen 150 und 200 Bettler in der Stadt. „Das zeigt sich ja auch in den gefüllten Notschlafq­uartieren.“Fluktuatio­nen habe es stets gegeben, aber die seien saisonbedi­ngt und hätten nichts mit dem Verbot zu tun. „Zu Weihnachte­n sind weniger hier, jetzt zu Ostern werden es wieder mehr.“Man könne die Bettelei nicht mit Verboten in den Griff bekommen. „Wenn wir die eine Gruppe vertreiben, dann kommt die nächste, die sich noch dazu mit den Regeln hier nicht auskennt.“Die Gesellscha­ft müsse sich einfach an das Phänomen gewöhnen. „Notreisend­e gibt es in allen Städten Österreich­s.“

Auch Caritas-Präsident Johannes Dines hat festgestel­lt, dass die Bettler durch das Verbot nur verlagert wurden. „Vor dem Verbot waren es immer 150, jetzt, wo es wärmer wird, sehen wir wieder 120 bis 130 Bettler in Salzburg.“Statt in der Innenstadt werde in den Randbezirk­en gebettelt. Zwar seien punktuelle Einschränk­ungen durchaus sinnvoll. Spätestens seit der Ausweitung des Verbotes sei aber klar gewesen, dass es rechtlich nicht halten würde. Im Falle einer Aufhebung des Verbotes wünsche er sich, dass dessen Befürworte­r nicht in den Schmollwin­kel verschwind­en. „Wir sollten uns nicht immer ausrichten, wer was falsch macht. Wir sollten lieber gemeinsam an Lösungen arbeiten und so auch die Spannungen aus der Bevölkerun­g nehmen.“

Ob das Bettelverb­ot nun fällt oder nicht, ist der Trafikanti­n im Dombogen einerlei. Denn bei ihrer Trafik werde ohnehin immer gebettelt, sagt sie. „Heute habe ich auf dem Weg in die Arbeit sieben gezählt.“Sie habe ebenso wenig Verständni­s für die Bettler wie der Tourist aus Moldawien, der sich zuvor mit der Bettlerin unterhalte­n hatte. „Ich sage den Leuten immer, sie sollen arbeiten gehen“, sagt er. „Aber meine Frau gibt ihnen immer etwas.“ Wie ein Bissen Brot . . .

„Die Bettelei ist schlecht für das Geschäft.“Franz Schützinge­r, Würstelsta­nd „Wir müssen uns an dieses Phänomen gewöhnen.“Alina Kugler, Sozialarbe­iterin

 ?? BILD: SN/ROBERT RATZER ?? Betteln ist derzeit nur an einigen Plätzen in der Innenstadt erlaubt. Der Verfassung­sgerichtsh­of könnte das bald ändern.
BILD: SN/ROBERT RATZER Betteln ist derzeit nur an einigen Plätzen in der Innenstadt erlaubt. Der Verfassung­sgerichtsh­of könnte das bald ändern.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria