Blauer Himmel, ein Marx für Trier und ein Telefonat mit Merkel
China ist auf der Bühne der Weltwirtschaft längst ein großer Spieler geworden. Nur mit den Spielregeln hat es noch seine liebe Not.
In Peking ging in dieser Woche der jährliche Volkskongress zu Ende. Einmal im Jahr tut Chinas Führung so, als wäre das Land mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern eine Demokratie mit einem funktionierenden Parlament, und lässt sich von den Delegierten des Einparteienstaates in der Halle des Volkes die von der Regierung bereits beschlossenen Gesetze absegnen.
Ein fixer Programmpunkt in der Woche des rituellen Abnickens ist die Rede des Premierministers, bei der er verkündet, wie stark die Volkswirtschaft im vergangenen Jahr gewachsen ist und wie die Staatsführung die weitere ökonomische Entwicklung zu planen gedenkt. 2016 wuchs die Wirtschaftsleistung laut offizieller Statistik um 6,7 Prozent – der niedrigste Wert seit einem Vierteljahrhundert. Für 2017 gab Premier Li Keqiang 6,5 Prozent als Ziel aus.
Chinas Führer steigen auf die Bremse, um die Schulden in den Griff zu bekommen, die in den Jahren des Wachstums mit zweistelligen Prozentsätzen regelrecht explodiert sind, vor allem im Unternehmenssektor. In Peking erkennt man, dass der gelenkte Staatskapitalismus Vorteile, aber eben auch seine Tücken hat. Im Zuge des Booms vergangener Jahre überhitzte der Immobilienmarkt, bei den Banken baute sich ein Berg fauler Kredite auf.
Die Führung muss sich auch mit anderen neuen Phänomenen auseinandersetzen. Sogar der Umweltschutz ist im Reich der Mitte angekommen. Den von Smog geplagten Menschen in den Millionenmetropolen versprach der Regierungschef, den Himmel wieder blau zu machen. Und siehe da, in den elf Tagen während des Volkskongresses war die Luft über Peking rein. Ein Zufall? Nein, die Industriebetriebe rund um die Hauptstadt wurden angehalten, die Produktion zu drosseln. So geht das in China. Anders als hier versprechen Politiker dort nicht das Blaue vom Himmel, stattdessen erleben die Bürger tatsächlich ein blaues Wunder.
Wunderliches geschah dieser Tage auch in der deutschen Stadt Trier, wo man sich auf den 200. Geburtstag von Karl Marx, dem größten Sohn der Stadt, im Jahr 2018 vorbereitet. Für heftige Debatten sorgt dabei ein Geschenk aus China – eine mehr als sechs Meter hohe Statue des Philosophen und Ökonomen. Der Stadtrat nahm das Geschenk an, wohl in der Hoffnung, dass Trier auf der Route Hunderttausender chinesischer Touristen in Europa künftig zur fixen Station wird. Man könnte es auch so interpretieren: Die Chinesen exportieren Marx und importieren den Kapitalismus.
In der Auslegung des Marxismus zeigte man sich stets pragmatisch. Das ging so weit, dass der Wandel von Staatsbetrieben in Aktiengesellschaften als kongeniale Umsetzung der von Marx angestrebten Sozialisierung von Eigentum deklariert wurde. Getreu der Devise „Von Marx zum Markt“pocht China auch darauf, offiziell den Status einer Marktwirtschaft zuerkannt zu bekommen. Dagegen legt sich die EU quer, die mit Strafzöllen auf Dumping reagiert.
Chinas Führer agieren auch gegenüber den USA mit breiter Brust. Donald Trumps „Make America Great Again“setzen sie „Made in China 2025“entgegen. Man will nicht länger die Werkbank der Welt sein, sondern mithilfe internationaler Investoren selbst Weltspitze werden. Wie ernst man es mit der Öffnung meint, wird man sehen, verbal gibt man sich liberal.
Bevor Angela Merkel nach Washington aufbrach, um US-Präsident Donald Trump zu treffen, telefonierte sie mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping. Man vereinbarte, gemeinsam für freien Handel und offene Märkte zu kämpfen. Dass sich die deutsche Bundeskanzlerin vor einem USA-Besuch mit Chinas Führer abstimmt, zeigt, wie stark sich die Gewichte in der Weltwirtschaft verschieben. Wie sagt man in China? „Mögest du in interessanten Zeiten leben.“