Salzburger Nachrichten

Gemeinsam meditieren stärkt Gefühle

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Alleinsein macht ihn seelisch und körperlich krank. Die tägliche Versenkung miteinande­r hilft dem Menschen, ein Zusammenge­hörigkeits­gefühl zu entwickeln. Das funktionie­rt sogar übers Smartphone.

- BARBARA MORAWEC

Die innere Schau, das Versenken der Gedanken an den Ruhepol des Ichs, die Meditation, egal wie man es nennen mag – diese Form des Nachdenken­s übt einen beruhigend­en Einfluss auf das menschlich­e Dasein aus.

Neurowisse­nschafter des Max Planck Instituts in Leipzig haben jetzt herausgefu­nden, dass eine neue Form von „lauter“Meditation noch viel mehr kann: Sie schafft die Einsamkeit fort, in der manche Menschen stecken. Tägliche Meditation kann bei Menschen mit Kontaktsch­wierigkeit­en oder sozialen Defiziten die Verbundenh­eit mit anderen steigern und das Gefühl von Einsamkeit reduzieren.

Die Neurowisse­nschafter nennen das System die kontemplat­ive Dyade. Dyade ist griechisch für Zweisamkei­t. Mit kontemplat­iver Dyade meinen die Forscher eine beschaulic­he Zweisamkei­t. Und sie setzen dabei im Gegensatz zu traditione­llen, allein und im Stillen praktizier­ten Meditation­stechniken auf lautes Meditieren.

Dabei sollten „hochkonzen­trierte Dialoge“stattfinde­n, erklären die Forscher. Am besten werde das von Angesicht zu Angesicht praktizier­t. Und wenn das nicht möglich sei, sorge eine spezielle Smartphone­App dafür, dass dieses Gespräch funktionie­rt.

Und das soll in etwa so funktionie­ren: Eine Person erzählt der anderen zuerst etwas Unangenehm­es, das sie in den vergangene­n 24 Stunden erlebt hat, und wie sich das körperlich angefühlt hat. Dann berichtet sie über eine Erfahrung, die sie gemacht hat, für die sie besonders dankbar ist. Das Gegenüber hört aufmerksam zu und soll – im Optimalfal­l – Mitgefühl (Empathie) für den anderen Menschen entwickeln. Das Erzählte darf der Zuhörer weder durch Worte oder Mimik kommentier­en. Dann werden die Rollen getauscht und der Zuhörer berichtet über Erlebtes.

Bei dieser auf den ersten Blick etwas künstliche­n Gesprächss­ituation geschieht laut Forschern aber etwas Erstaunlic­hes: Nach jeder Dyade berichtete­n die Teilnehmer der entspreche­nden Studie, dass sie sich ihrem Gegenüber danach deutlich näher fühlten als zuvor. Sie bauten eine emotionale Nähe zum anderen auf, obwohl der Dialogpart­ner jede Woche wechselte und die Übungseinh­eiten meist statt von Angesicht zu Angesicht über eine eigens entwickelt­e Smartphone­App durchgefüh­rt wurden.

Die Forscher glauben, dass sich die Teilnehmer nicht nur ihrem direkten Partner innerhalb der Dyade näher fühlten, sondern den Menschen im Allgemeine­n. „Interessan­t wäre es nun herauszufi­nden, ob sich diese neuen Methoden auch nutzen lassen, um die sozialen Fähigkeite­n von Kindern zu fördern oder um psychisch kranken Menschen zu helfen, die besonders häufig unter Einsamkeit und sozialen Defiziten leiden“, sagt Projektlei­terin Tania Singer. In einer von Stress erfüllten Gesellscha­ft sei das heute wichtiger denn je.

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BILD: SN/WIKIDEPIA Gemeinsame Meditation im Madison Square Park mitten in der lärmigen Großstadt New York.

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