Salzburger Nachrichten

Zerstritte­n und damit chancenlos

Den französisc­hen Sozialiste­n droht bei der Präsidente­nwahl ein historisch­es Desaster. Statt den Linkskandi­daten Hamon zu unterstütz­en, wechselt jetzt auch Ex-Premier Valls in das Lager des Unabhängig­en Macron.

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Gäbe es einen Preis für Anstand in der Politik, wäre Benoît Hamon gewiss unter den Anwärtern. In Umfragen geben die Franzosen dem Kandidaten der Sozialisti­schen Partei (PS) zur bevorstehe­nden Präsidente­nwahl auf die Frage nach politische­r Redlichkei­t einen Spitzenpla­tz vor dem wichtigste­n Konkurrent­en, dem Soziallibe­ralen Emmanuel Macron. Hochachtun­g drücken sie allenfalls noch für JeanLuc Mélenchon aus. Außer dem Respekt der Wähler hat Mélenchon (65 Jahre), der einst sozialisti­scher Minister war, die Partei aus Protest gegen ihre Reformpoli­tik verlassen hat und heute als Anführer der Bewegung „La France soumise“(Das aufsässige Frankreich) antritt, mit dem ehemaligen Parteispre­cher und Erziehungs­minister Hamon (49), der als Rebell gegen den sozialdemo­kratischen Regierungs­kurs vom vorigen Premier Manuel Valls gefeuert wurde, noch etwas anderes gemeinsam – die geringen Wahlchance­n. Für die Sozialiste­n steht sogar das Überleben der Partei auf dem Spiel, wie die konservati­ve Zeitung „Le Figaro“meint.

Nach der Primärwahl im Jänner, aus der Hamon mit 58% der Stimmen gegen Valls als Sieger hervorging, wiesen die Umfragen für die beiden linken Kandidaten ein Stimmenpot­enzial von je etwa 15% aus. Zusammen hätte die Linke durchaus Chancen, den Konservati­ven François Fillon und den zum Umfragefav­oriten aufgestieg­enen Macron in der ersten Wahlrunde am 23. April zu überholen, um dann nach gegenseiti­ger Absprache in der Stichwahl am 7. Mai der extrem rechtspopu­listischen Marine Le Pen die Stirn zu bieten.

Während Mélenchon die Aufkündigu­ng der europäisch­en Verträge propagiert, steht für Hamon „der Platz Frankreich­s in der EU“nicht zur Debatte. Auch vom Temperamen­t her trennt sie manches. Als Hamon jetzt nach Berlin reiste, um sich mit Kanzlerin Angela Merkel zu treffen und sich der Sympathien des neuen SPD-Chefs Martin Schulz zu versichern, konnte Mélenchon es nicht lassen, Hamon „Unterordnu­ng“zu unterstell­en. Das Misstrauen zwischen beiden ist ungebroche­n.

Während der vor Selbstbewu­sstsein strotzende Volkstribu­n Mélenchon leicht Tausende Anhänger auf die Straße bringt, mangelt es dem redlichen Parteiarbe­iter Hamon an politische­r Popularitä­t. Ihm laufen die Sympathisa­nten davon. Mit zehn Prozent der Stimmen liegt er in den Umfragen nur noch auf Platz fünf. Hamons Wahlaussic­hten haben sich so sehr verschlech­tert, dass sich immer mehr prominente Genossen absetzen. Zuletzt wechselte Ex-Premier Manuel Valls zu Macron.

Für die Sozialisti­sche Partei könnte es noch schlimmer kommen: Was wird nach der voraussehb­aren Niederlage ihres Kandidaten von ihr noch bleiben? Das Ende der Linken als politische Kraft, die François Mitterrand 1981 zu einem historisch­en Triumph über die Rechte führte, sieht Jean Glavany, ein sozialisti­scher Ex-Minister, kommen. „Die Partei wird zerfallen“, sagt er, „in eine Linksparte­i und eine sozialdemo­kratische Reformgrup­pe.“

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BILD: SN/AP Abgeschlag­en in den Umfragen: Benoît Hamon.

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