„Ein echter Tiefpunkt“
Regierungskoordinator Thomas Drozda rügt den Regierungsstil und stellt der ÖVP die Rute ins Fenster: Weiterarbeiten – oder wählen.
Thomas Drozda, SPÖ, ist nicht nur Minister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien sowie ein enger Vertrauter des Bundeskanzlers. Als „Regierungskoordinator“hat er gemeinsam mit seinem ÖVP-Kollegen Harald Mahrer den Job, die Koalitionspolitik in sichere Bahnen zu lenken. Das war zuletzt eine fast unerfüllbare Aufgabe.
SN: Wenn Sie an die öffentlichen Streitereien nach der letzten Ministerratssitzung am Dienstag zurückdenken: Hat diese Form der Zusammenarbeit noch eine Zukunft?
Thomas Drozda: Ich muss gestehen, dass die Vorkommnisse nach der Ministerratssitzung auch mich sehr nachdenklich gemacht haben. Das war ein echter Tiefpunkt. Mit Ausnahme des Außenministers haben sich praktisch alle ÖVP-Regierungsmitglieder in einer Schlange vor den Mikrofonen angestellt, um inakzeptable, beleidigende, untergriffige Äußerungen gegen den Kanzler abzugeben. Das ist natürlich eine ganz klare Strategie. Und macht eine vertrauensvolle Zusammenarbeit schwierig, um es vorsichtig zu formulieren. SN: Welche Strategie könnte dahinterstecken? Die Initiative für die Debatte ist von Außenminister Sebastian Kurz ausgegangen, der bereits am 9. Oktober letzten Jahres gesagt hat, dass es sinnvoll wäre, die Wahlen auf Herbst 2017 vorzuverlegen. Es ist auch kein Zufall, dass sich eine Reihe von ÖVP-Landeshauptleuten in diesem Sinn geäußert hat, zuletzt Landeshauptmann Wilfried Haslauer aus Salzburg. SN: Was folgern Sie daraus? Die ÖVP muss sich entscheiden. Wenn sie Wahlen will, dann soll sie es sagen. Aber die destruktive Variante, für die sie sich derzeit entschieden hat, ist nicht akzeptabel. Zumal dadurch ja alles überlagert wird, was es an Sacharbeit der Regierung gibt. SN: Was bezweckt die ÖVP Ihrer Ansicht nach? Die Idee von Außenminister Kurz ist es, Neuwahlen im Herbst herbeizuführen. Und die SPÖ so lang provozieren zu lassen, dass von unserer Seite das berühmte „Es reicht“ausgesprochen wird. Wir haben aber eine andere Agenda, und die besteht darin, das, was wir uns vorgenommen haben, umzusetzen. Es wäre im Interesse des Vizekanzlers und des Finanzministers und anderer ÖVP-Regierungskollegen, dass diese Umsetzung stattfindet. SN: War es nicht vor zwei Monaten, als der Kanzler seinen „Plan A“vorstellte, umgekehrt? Damals wollte der Kanzler Wahlen provozieren, die ÖVP ist nicht darauf eingestiegen. Das sehe ich nicht so. Das war die Präsentation einer Vision für Österreich – nicht das Beleidigen des politischen Partners. Mein Job als Regierungskoordinator ist es, mich um Ausgeglichenheit zu bemühen. Ich sehe durchaus auch den Balken im eigenen Auge. Es gibt aber wissenschaftliche Auswertungen, die belegen, wie viele Angriffe auf den Kanzler aus den Reihen der ÖVP gestartet werden. Und zwar nicht aus der dritten oder vierten Reihe, sondern von Bundesministern und dem Generalsekretär. SN: Was konkret verlangen Sie von der ÖVP? Die ÖVP muss sich auf einen klaren Kurs festlegen. Sie muss ihre personelle Aufstellung festlegen. Und sie muss festlegen, ob sie zu den Inhalten des Regierungspakts steht. SN: Was erhoffen Sie sich von weiteren 18 Monaten in dieser Regierungskonstellation? Wir haben erstmals seit mehreren Jahren ein ordentliches Wirtschaftswachstum. Wir haben erstmals eine realistische Chance, die Arbeitslosigkeit zu senken. Wir haben Pakete geschnürt für die Gemeinden, für die Klein- und Mittelbetriebe und für die Industrie. Das alles gehört jetzt umgesetzt, die Betroffenen warten darauf. Was die Realisierung des Regierungsprogramms betrifft, sind wir im Zeitplan. Wir haben 500 Millionen als Beschäftigungsbonus beschlossen. Wir haben 200 Millionen für Jobs für ältere Arbeitslose beschlossen. Und es gibt noch genug zu tun, der Reformstau in diesem Land ist gewaltig. Denken Sie an den notwendigen Ausbau der Kinderbetreuung und die Bildungsreform. Ich bin vom Kanzler in die Regierung geholt worden, und ich bin im Arbeitsmodus. Doch die früheren Wadelbeißereien haben sich zu Messerstechereien ausgewachsen, das ist mir zutiefst zuwider. SN: Welche Parteien sollen nach der Wahl regieren? Eine kann ich Ihnen jetzt schon sagen: die Sozialdemokratie.