Salzburger Nachrichten

Die Kunst als Funke der Hoffnung für die Griechen

Athen steht bis Sommer im Zeichen der Kunst. Eine willkommen­e Ablenkung vom harten Alltag, an dem sich wenig ändern wird.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SALZBURG.COM

Auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament im Zentrum Athens bietet sich dieser Tage ein höchst ungewöhnli­ches Bild. Dort, wo sonst gegen die internatio­nalen Geldgeber Griechenla­nds oder gegen die eigene Regierung demonstrie­rt wird, die laut ihren Kritikern gegenüber den Gläubigern zu willfährig agiert, nähen junge Menschen mit dem ghanaische­n Künstler Ibrahim Mahama Jutesäcke zusammen. Die Idee, die dahinter steht: Auf dem Platz mit seiner langen Geschichte soll mit dem Zusammenfü­gen von Stofffetze­n, die auch eine Geschichte haben, etwas Ganzes, Gemeinsame­s werden. Das Projekt ist Teil der documenta 14, der wichtigste­n Ausstellun­gsreihe für zeitgenöss­ische Kunst, die für drei Monate ihr Lager in der griechisch­en Hauptstadt aufgeschla­gen hat.

Es ist eine Einladung zum Zusammenha­lt, eine wenn auch nur symbolisch­e Mutinjekti­on – aber sie könnte sich als Labsal für die geschunden­e Seele der griechisch­en Bevölkerun­g erweisen. Die leidet seit Jahren unter der tiefen Wirtschaft­skrise und unter den drakonisch­en Maßnahmen, die wechselnde Regierunge­n auf Druck der internatio­nalen Geldgeber setzen mussten. Die haben sich vergangene­s Wochenende zumindest im Grundsatz darauf geeinigt, Griechenla­nd weitere Milliarden­hilfen zukommen zu lassen, allerdings erneut unter strengen Auflagen.

Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos sagte Reformen im Pensions- und Steuersyst­em zu, und die Regierung hat gar keine andere Wahl, als sie umzusetzen. Sie braucht bis Juli 7 bis 8 Mrd. Euro, um ihre finanziell­en Verpflicht­ungen erfüllen zu können. Das wiederum ist Bedingung für den ehrgeizige­n Plan, Ende 2017 an den Kapitalmar­kt zurückkehr­en zu können.

Der Internatio­nale Währungsfo­nds und die EU haben ihren Streit über den besten Weg für Griechenla­nd zurückgest­ellt. Aber die Entscheidu­ng, ob eine Schuldenre­duktion nötig ist, steht aus. Irland, Spanien oder Portugal haben es in vergleichs­weise kurzer Zeit geschafft, finanziell wieder auf eigenen Beinen zu stehen, in Griechenla­nd ist das nicht realistisc­h. Will man es in der Eurozone halten, geht das nicht ohne Gläubigerv­erzicht. Ob man das mit einem klaren Schnitt macht oder die Rückzahlun­g auf viele Jahrzehnte streckt, ist eher eine politische Frage, wirtschaft­lich macht es kaum einen Unterschie­d.

Wenn nichts mehr hilft, hilft nur mehr die Kunst. Die Griechen wissen aber auch, dass es mit der Kunst allein nicht getan sein wird. Sie beflügelt zwar den Geist, aber macht die Menschen nicht satt. Die Griechen haben daher noch viele harte Jahre vor sich.

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