Salzburger Nachrichten

Verletzte Tiere bekommen Prothesen

Ersatzbein­e kommen maßgeschne­idert aus dem 3D-Drucker. Dennoch gibt es Probleme.

- BILD: SN/DPA

Immer öfter können Tiere, denen wichtige Körperteil­e zur Fortbewegu­ng fehlen, mit Prothesen ein nahezu normales Leben führen. Ein Unternehme­n, das mittels 3D-Drucker kostenlos individuel­le Handprothe­sen für Kinder herstellt, hilft jetzt auch Greifvögel­n und Störchen in deutschen Tierparks. Prothesen gibt es mittlerwei­le für Schildkröt­en, Hunde, Schweine, Katzen, Delfine und Tiger. Sie erhielten Lauf- bzw. Schwimmhil­fen aus verschiede­nsten Materialie­n. Ungefährli­ch ist so eine tierische Prothese allerdings nicht.

WALSRODE. Söckchen stolziert über die Wiese, fast so, als wäre nichts. Dabei hat der große Greifvogel ein Problem: Ihm fehlt ein Unterschen­kel. Doch das im Weltvogelp­ark Walsrode zwischen Hannover und Bremen geschlüpft­e Weibchen hat eine Prothese bekommen. Es ist knapp drei Jahre alt und rund 120 Zentimeter groß. „Söckchen war Teil der Flugshow, aber eines Tages haben wir sie mit gebrochene­m linken Bein in ihrer Voliere gefunden“, sagt Parksprech­erin Janina Buse. „Weil die Nervenbahn­en durchtrenn­t waren, musste es leider amputiert werden.“Doch dann recherchie­rte eine Kollegin im Internet nach Prothesen und wurde dabei fündig. Sie stieß auf Lars Thalmann. Der Maschinenb­auer ist Mitgründer des Vereins e-Nable (deutsch: ermögliche­n), der als Teil des internatio­nalen Netzwerks Enabling The Future mit 3D-Druckern kostenlos individuel­le Handprothe­sen für Kinder herstellt. Thalmann kam nach Walsrode und nahm Maß bei Söckchen.

„Wir bauen Gratis-Prothesen für Kinder, damit sie auch ohne die teuren elektronis­chen Hightech-Prothesen etwa in der Sandkiste spielen können“, erklärt Thalmann. „Es ist nicht unser Ziel, die HightechPr­othesen zu ersetzen – wir wollen eine unkomplizi­erte Ergänzung zum Spielen anbieten“, betont der 35-Jährige. „Söckchen war das erste Tier, dem wir von e-Nable eine Prothese gebaut haben.“

Auch andere Vögel haben schon Prothesen bekommen, so Storchenwe­ibchen Fee im vergangene­n November. Der Vogel hatte den unteren Teil des linken Beins vermutlich bei einem Unfall verloren. Auszubilde­nde eines Fachbetrie­bs bauten Fee kostenlos eine Prothese. Doch weil sich der Stumpf immer wieder entzündete, soll Fee eine neue Prothese bekommen.

Storchenda­me Mathilda aus Sachsen-Anhalt starb trotz aller Bemühungen mit einer Beinprothe­se und wochenlang­em Reha-Training im vergangene­n Oktober. Ursache sei eine Blutvergif­tung, möglicherw­eise infolge einer Entzündung am Stumpf ihres Beins, hieß es damals. Ihre Artgenosse­n Fridolin und Emma erhielten ebenfalls Prothesen und leben noch heute im Storchenho­f Loburg.

„Entzündung­en sind leider ein häufiges Problem bei den Prothe- sen“, sagt der Ornitholog­e Christoph Kaatz. So könnte man Fridolin und Emma nicht wieder auswildern. „Wenn sich Tiere zu sehr quälen, sollte man sie tierschutz­gerecht einschläfe­rn – aber das ist erst die allerletzt­e Konsequenz“, meint Kaatz. Prothesen werfen aber auch ethische Fragen auf, sagt Peter Kunzmann von der Tierärztli­chen Hochschule Hannover. „Wichtig ist, dass das Tier Freude am Leben hat, das Leben darf nicht nur erträglich sein.“Das gelte auch für Haustiere.

Eine Schildkröt­e, die schwer verletzt in einem Garten gefunden worden war, erhielt statt eines Vorderbein­s ein Lego-Rad. Sogar Delfine haben schon Prothesen bekommen. So erhielt das verletzte Delfinweib­chen Winter im Jahr 2007 in den USA eine neue Schwanzflo­sse. Winter lebt im Clearwater Marine Aquarium in Florida, ihre Geschichte wurde bereits verfilmt.

Söckchen macht einen guten Eindruck. Medizinisc­h gebe es mit der Prothese keine Probleme, sagen die Veterinäre. Es könnte also klappen mit dem Bein aus dem Drucker.

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BILD: SN/DPA Schildkröt­e mit Lego-Rad und Söckchen mit Beinprothe­se.

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