Zwischen „Sehr langsam“und „Prestissimo“
Die Tempi im „Parsifal“, bei Beethoven und in der Großen Koalition.
Was haben „Parsifal“und die österreichische Bundesregierung gemeinsam? Beide weisen eine variable Aufführungsdauer auf. Der „Parsifal“dauert eigentlich fünf Stunden und die Legislaturperiode an sich fünf Jahre. Es kann aber auch ganz anders kommen.
Denn der Dirigent kann Wagners letzte Oper schnell oder langsam dirigieren, was Unterschiede in der Aufführungslänge von bis zu einer Stunde ausmachen soll. Genauso kann die österreichische Bundesregierung langsam oder schnell regieren, und je nachdem finden die folgenden Neuwahlen dann nach fünf, nach vier oder auch schon nach drei Jahren statt. Alles eine Frage der Tempi.
Es gibt allerdings einen gravierenden Unterschied. Der Dirigent, der den „Parsifal“durcheilt und schon nach, sagen wir, viereinhalb Stunden fertig ist, hat trotzdem die ganze Oper aufgeführt und nichts weggelassen. Bei der Regierung kann man sich da nicht so sicher sein. Kommt es zu vorgezogenen Neuwahlen, über die ja soeben debattiert wird, lässt die Regierung meist einen ganzen oder halben Regierungsakt weg. Das wäre bei „Parsifal“undenkbar. Ob das jetzt ein Vor- oder ein Nachteil ist, bleibe einmal dahingestellt.
Jedenfalls gibt es noch eine weitere Parallele. Die Partitur der genannten Oper beginnt mit Wagners Hinweis „Sehr langsam“. Und wäre die Große Koalition eine wohltönende Komposition, würde sie zweifellos die gleiche Tempobezeichnung tragen. Manchmal herrscht sogar Tempo null. Generalpause würde man das in der Musik nennen.
Im „Parsifal“findet sich übrigens die rätselhafte Textzeile „Zum Raum wird hier die Zeit“, über die sich schon viele kluge Menschen den Kopf zerbrochen haben. Vielleicht ist der koalitionsfreie Raum damit gemeint?
Womit nicht behauptet werden soll, dass unsere Regierung immer largo („breit“) oder adagio („langsam“) unterwegs ist, wie es in den italienischen Tempobezeichnungen heißt. Nein, es gibt auch politische Passagen, in denen sie andante („gehend“) voranschreitet oder sich gar zu einem Allegro ma non troppo („Munter, aber nicht zu sehr“) wie zu Beginn der 9. Symphonie von Beethoven aufrafft.
Diese Symphonie aller Symphonien endet übrigens mit einem Prestissimo („Schnellstens“). Auch dieses atemberaubende Tempo wird in der Politik manchmal erreicht, namentlich bei Steuererhöhungen und in Wahlkämpfen. Steuersenkungen und mühselige Reformen werden hingegen ritardando („verzögernd, langsamer werdend“) angegangen. Oder moderato („gemäßigt“). Dieses Tempo liegt uns Österreichern sozusagen im Blut, trägt die Bundeshymne doch die Tempobezeichnung „feierlich, doch nicht zu langsam“.