Die Blüten der Pflanzen sind ein Rätsel
Schon der große Naturforscher Charles Darwin nannte die ungeheuer große Anzahl von verschiedenen Blüten ein „schreckliches Rätsel“. Und tatsächlich weiß man bis heute nicht genau, warum Pflanzen überhaupt Blüten haben.
WIEN. Nach heutigen Schätzungen existieren auf der Erde ungefähr 500.000 Pflanzenarten. Gut die Hälfte davon bringt Blüten hervor. Warum das so ist, weiß man eigentlich nicht ganz genau.
Auch die Verteilung ist interessant: Es gibt artenarme Pflanzenfamilien, die dennoch eine erstaunliche Blütenpracht hervorbringen, während sehr artenreiche Pflanzenfamilien offenbar nicht so einfallsreich sind. Warum das so ist, darüber verzweifelte schon der große Naturforscher Charles Darwin, der trotz allen Verständnisses für die Entwicklungsgeschichte in der Natur nicht dahinterkam, wie sich Blüten entwickelten. Dem von Darwin bezeichneten „abominable mystery“, dem „schrecklichen Geheimnis“über die Blütenpracht in der Natur, wollen jetzt mit systematischer Suche Marion Chartier und Jürg Schönenberger vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien auf die Spur kommen.
Obwohl man heute dank molekularer Methoden und der Entdeckung einer Vielzahl von frühen Blütenpflanzenfossilien aus der Kreidezeit sehr viel mehr über die Evolutionsgeschichte der Blütenpflanzen weiß, gibt es noch immer unzählige Fragen. Wer sind die nächsten Verwandten der Blütenpflanzen? Was ist der Ursprung der Blüte? Weshalb sind ausgerechnet die Blütenpflanzen im Laufe der letzten 100 Millionen Jahre so erfolgreich geworden und konnten sich so vermehren?
Die Formenvielfalt der Blüten heute lebender Pflanzen reicht von den winzigen und einfach gebauten Blüten der heimischen Wasserlinsengewächse bis hin zu Seerosen in den Tropen, deren Blüte einen halben Meter groß wird.
Um diese Vielfalt der Blüten besser analysieren zu können, wandten die Forscher spezielle mathematische Methoden an. „Das erlaubte uns, die Blüten verschiedener Verwandtschaftsgruppen zunächst einmal mengenmäßig miteinander zu vergleichen“, erklärt Marion Chartier. Untersucht wurde die Ordnung Ericales. Dort sind unter anderem fleischfressende Pflanzen, aber auch die sanften Primeln, die jetzt in unseren Gärten blühen, oder die blütenreichen Rhododendren, deren Knospen demnächst aufbrechen werden, oder die heikle Kamelie versammelt. Und noch weitere tropische und subtropische Pflanzen, deren Namen nur Botaniker kennen. „Wir waren überrascht, dass selbst die Blüten von vermeintlich gut bekannten Nutzpflanzen noch nie genau untersucht wurden“, sagte Chartier.
Es wartet daher eine Menge Arbeit auf die beiden Forscher, um das „schreckliche Rätsel“aufzuklären. Bisher gibt es nur Hypothesen darüber. Eine geht davon aus, dass Blüten zum Schutz gegen die Bisswerkzeuge von Käfern entstanden sind. Die Blüten enthalten nämlich die Geschlechtsorgane der Pflanzen. Manche Pflanzen haben Blüten, die sowohl weiblich als auch männlich sind. Andere haben männliche und weibliche Blüten auf ein und derselben Pflanze. Und es gibt noch Pflanzenarten, deren Blüten nur männlich oder weiblich sind, sodass eine männliche und eine weibliche Pflanze derselben Art für die Bestäubung benötigt werden.