Salzburger Nachrichten

Und die Doktorväte­r bleiben ungeschore­n

Das Stehlen von Inhalten ist kein Kavaliersd­elikt. Das gilt auch für jene, die ihre Kontrollau­fgaben nicht richtig wahrnehmen.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SALZBURG.COM

Für Karl-Theodor zu Guttenberg läuft alles wie am Schnürchen: beste Familie, beste Ausbildung, beste politische Karriere, die Nachfolge von Angela Merkel nur noch eine Frage der Zeit. Dann plötzlich der Zusammenbr­uch: Seine Universitä­t nimmt ihm den Doktortite­l weg. Begründung: Er habe abgeschrie­ben, ohne es dazuzusage­n. Ansonsten würde man das ja „zitieren“nennen.

Guttenberg war der erste prominente Plagiator im deutschen Sprachraum, den sein schlampige­r Umgang mit Quellen die Karriere kostete. In der Steiermark hat die Uni Graz jetzt einem Landesrat den Doktortite­l aberkannt. Gut ein Drittel seiner Dissertati­on war kopiert. Seine Parteifreu­nde sagen trotzdem: Kein Problem, der Mann ist gut. Er soll bleiben.

Fakt ist: Wer abschreibt, ohne zu zitieren, macht sich strafbar. Das gilt nicht nur für Magister- oder Doktorarbe­iten. Auch Medieninha­lte, Liedtexte, Romane oder Filme dürfen nicht abgekupfer­t werden. Dennoch verdienen sich internatio­nale Internetko­nzerne mit der Übernahme von fremden Inhalten eine goldene Nase. Niemand tut etwas dagegen.

In Österreich wird einem Titel, vor allem, wenn es sich um einen akademisch­en handelt, mehr Wert als anderswo in Europa beigemesse­n. Der neu geschaffen­e Bachelor macht noch wenig her, wer aber Master, Magister oder gar Doktor auf seine Visitenkar­te schreiben darf, hinterläss­t Eindruck, und das zu Recht.

Es ist daher nicht gleichgült­ig, wie die Leute zu ihrem Titel gekommen sind. Leider gibt es auch Schwindler. Aber deshalb dürfen nicht alle Akademiker unter Generalver­dacht gestellt werden. Auch nicht jene, die drauf und dran sind, politische Karriere zu machen. Kaum ist jemand im Gespräch für einen Posten in Stadt, Land oder Bund, wird vom politische­n Gegner in seinem früheren Leben gestierlt wie in einem Mistkübel. Und zur Sicherheit werden die akademisch­en Thesenpapi­ere der Kandidaten einem Plagiats-Scan unterzogen. Man weiß ja nie.

In der Debatte über die erschwinde­lten Doktortite­l redet kein Mensch über die zahlreiche­n Professori­nnen und Professore­n, die solche Mangel-Arbeiten anstandslo­s genehmigt haben. Das Bummerl bleibt beim Autor, der versagende Doktorvate­r bleibt ungeschore­n. Die Ausrede, man habe seinerzeit nicht die notwendige­n technische­n Mittel gehabt, um eine abgeschrie­bene Arbeit auch als solche zu erkennen, ist billig. Ein guter Professor kennt die Literatur, die in Dissertati­onen verwendet wird. Auch ohne Software.

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