Einer treibt’s, der andere lässt es treiben
Daniil Trifonov spielt sich mit Mozart, Christian Thielemann malt Bruckner-Landschaften.
Heute, Donnerstag, beim Konzert für Salzburg, wird hierorts erstmals der von Baden-Baden übersiedelte Herbert-von-Karajan-Preis übergeben: Daniil Trifonov, der erst 26-jährige russischamerikanische Klavier-Wundermann, erhält Ehre und ein Preisgeld von 50.000 Euro und spielte am Dienstag im dritten Konzert der Sächsischen Staatskapelle unter Christian Thielemann Mozarts CDur-Konzert, KV 467.
Wer wissen möchte, was Trifonov kann, sollte freilich besser seine jüngsten Aufnahmen hören: die schikanösen Etüden von Liszt, deren monströse Schwierigkeiten er wie nichts meistert und dabei jedem Stück einen eigenen Charakter gibt, oder, zusammen mit Gidon Kremer und Giedre Dirvanauskaite, die traurig-tiefsinnigen Trios „élegiaque“von Rachmaninow. Mozart, sagen wir es vorsichtig, scheint nicht unbedingt seine Welt.
Als wollte er die kristalline Klassizität von innen sprengen, reichert Trifonov den Klavierpart nicht nur mit eigenwilligen Kadenzen und ausgiebigen Eingängen an, sondern auch im Verlauf der Sätze mit allerlei improvisatorisch verzierenden Arabesken. Fast übermütig wirkt das, drängend und ungeduldig, als wollten die Finger permanent mehr spielen, als Mozart ihnen zur Aufgabe gestellt hat. Beethoven, Chopin, Liszt: Alles spukt da mit im perlenden, aber immer auch irgendwie zu groß wirkenden Spiel. Thielemann und die Kapelle, insbesondere ihr feines Bläserspiel, bremsen ihn nicht, machen etwas pingelig selbst auf gute Laune. Und der Solist lässt dann als Zugabe noch, jubelfördernd, Prokofjews Cinderella antanzen. Vielleicht gibt ja am Ostersonntag das Quintett, op. 44, von Schumann mehr vom wahren Können Trifonovs preis?
Nicht wirklich glücklich wurde man auch mit Bruckners 4. Symphonie, der Romantischen, die Thielemann weit mehr als breites Stimmungsgemälde (mit wiederum wunderbaren Farben im Leisen und Zarten) anlegt denn als streng konstruierte Architektur. Aber ohne einen solchen Bauplan bleibt Bruckner, der zwingend in Form gebracht werden will, eben nur eine halbe Sache. Alles strebt in die malerisch ausgepinselte Breite, wenig geht organisch in die Höhe. „Starke Brocken schichtet mir dort“, möchte man Brünnhildes Schlussgesang aus der „Götterdämmerung“paraphrasieren. So gekonnt das alles war, so wenig spannend wirkte es.