Spiel mit der Unendlichkeit des Lichts
Der Aufbau in Venedig ist geschafft: Brigitte Kowanz vertritt mit Erwin Wurm Österreich bei der Biennale 2017.
Venedig ist im Vor-Biennale-Taumel. Vor dem Teatro La Fenice ein Menschenauflauf. Mittendrinnen eine kleine, zierliche Frau im roten Mantel. Sie drängt sich durchs Getümmel: Brigitte Kowanz, die Licht-Künstlerin mit der blau getönten Brille, die zu ihrem Markenzeichen gehört, wird bei der Biennale 2017 im Duett mit Erwin Wurm den österreichischen Pavillon bespielen. Sie wirkt erschöpft, aber glücklich.
Es ist geschafft – innerhalb von zwei Wochen wurden ihre LichtProjekte, die zuerst nur Handzeichnungen und Konfigurationen mit Fäden waren und schließlich in komplexe Berechnungen übergingen, aus dem Computer in die Wirklichkeit transferiert: In den großzügigen Holz-Zubau, der fast den gesamten Gartenbereich einnimmt und von der Struktur her so aussieht, als wäre er aus weißem Sichtbeton, gestaltet von ihrem WunschArchitekten Hermann Eisenköck. „Die Vorbereitung hat ein Jahr gedauert", erzählt die Künstlerin. „Jetzt habe ich die Installationen zum ersten Mal fertig gesehen – und ich bin sehr froh, dass sie sich so gut machen in diesem idealen Raum. Für eine Zeichensetzung draußen hat die Finanzierung doch nicht gereicht – aber es ist ohnehin so wenig freier Platz geblieben, eigentlich nur eine kleine Terrasse.“
Licht, Raum und Kommunikation begleiten unser Leben existenziell. So lautet das Credo der Brigitte Kowanz. Diese Komponenten zueinander in Spannung zu setzen und neue Erfahrungen und Empfindungen von Architektur zu eröffnen, sind Bestandteil ihres Werkes: Das gilt für ihr Biennale-Projekt ebenso wie für ihre nächste Ausstellung in der Wiener Galerie Krinzinger (ab 26. April) oder für die Gestaltung des Durchgangs zum Grazer Museum im Palais mit „M/Licht 2017“(Eröffnung am 27. April) .
Die Künstlerin, die bereits 1984 mit Franz Graf bei der Aperto der Biennale Venedig vertreten war, leitet seit 1997 die Klasse Transmediale Kunst an der Wiener Hochschule für angewandte Kunst. Sie hat mit ihren Lichtarbeiten selbst im Crossover mit Malerei, Architektur, Skulptur und Sprache experimentiert. Und sie leistete ihren individuellen österreichischen Beitrag zu einer internationalen Tendenz der Kunst des 20. Jahrhunderts – dem „Ausstieg aus dem Bild“.
Während die Wiener Aktionisten den bewegten Körper als Leinwand benutzten, verzichtet Kowanz zwanzig Jahre später auf die barocke Expressivität der Bilderstürmer. Im Gegenteil. Sie bewegt sich im Körperlosen, löst die Leinwand auf, ersetzt Farbe durch – meist weißes – Licht und den Bilderrahmen durch Raum. Sie verbindet beides mit dem Wort, mit Zeichen, Zahlen und Codes wie etwa dem Morsealphabet – der ersten virtuellen Datenübermittlung – und dem Bestreben um simulierte Unendlichkeit. Peter Weibel vergleicht ihre Lichtkonzepte im Biennale-Katalog sogar mit den Sternen, dem ersten Navigationssystem der Seefahrer: „Die Künstlerin verwendet Buchstaben und Texte als Navigationssysteme. Durch den Einsatz von Spiegeln gibt sie diesen textuellen Navigationssystemen die Unendlichkeit der Sternenräume zurück. Sie baut gewissermaßen Leitern aus Licht ins Unendliche beziehungsweise verwendet das Licht als metaphorische Leiter, als Himmelsleiter.“
Eine solche Himmelsleiter kann man ab 9. Juni an einem Nebenschauplatz der Biennale in der Kirche der Laguneninsel San Clemente sehen. Im sakralen Ambiente bekommen ihre „Light Steps“– „eine Lichttreppe, die nach oben führt“(Kowanz) – eine spezielle Qualität: die Leichtigkeit des Immateriellen, die das Monumentale, die Stein gewordene Spiritualität durchbricht.
Transzendenz ist es, was der Künstlerin mit ihrer Sprache des Lichts immer wieder gelingt und was sie sicher auch mit ihren Biennale-Installationen anstrebt: den Betrachter aus dem Tageslicht in eine künstliche Lichtwelt zu entführen, ihn zu konfrontieren mit dem Virtuellen, Immateriellen, Entgrenzten, mit gespiegelten, scheinbar aufgebrochenen Räumen, sodass er sich in der Spiegelung selbst als Teil des Kunstwerks erlebt. Für Brigitte Kowanz ist das Changieren zwischen unendlicher Virtualität und begrenzter Realität die existenzielle Erfahrung des 21. Jahrhunderts. „Mit dem Internet und der nachfolgenden Globalisierung hat sich unsere Welt komplett verändert. Es ist für uns selbstverständlich geworden, dass wir uns gleichzeitig im virtuellen Netzraum und in der Realität bewegen.“
„Ich bin froh, dass sich die Installationen hier so gut machen.“
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