Salzburger Nachrichten

Milliardär­e sagen Fake News den Kampf an

Immer mehr Superreich­e investiere­n in Recherchep­rojekte. Doch woher kommt das plötzliche Interesse von Mateschitz & Co.? Donald Trump ist ein Grund. Aber es steckt wohl mehr dahinter.

- RALF HILLEBRAND

SALZBURG. Die Nachricht schlug vergangene Woche hohe Wellen: Dietrich Mateschitz kündigte an, eine „multimedia­le, öffentlich zugänglich­e Recherchep­lattform“aufziehen zu wollen. Das neue Medienproj­ekt soll „dem Vertrauens­verlust in Institutio­nen, Politik und Medien entgegenwi­rken“. Es werde das Ziel verfolgt, „ein vollständi­geres Bild der Wirklichke­it zu schaffen“.

Dietrich Mateschitz will Falschmeld­ungen den Kampf ansagen. Und mit diesem Ansatz ist der RedBull-Gründer nicht allein. US-Investor George Soros will dem deutschen Rechercheb­üro Correctiv 100.000 Euro zuschießen. Und Ebay-Gründer Pierre Omidyar spendet gar 100 Millionen Dollar (94 Millionen Euro) für den Kampf gegen Falschmeld­ungen. Unter anderem soll das Journalist­en-Netzwerk ICIJ gefördert werden.

Auffällig viele Milliardär­e entdecken dieser Tage die Megathemen Wahrheit, (Netz-)Demokratie und Journalism­us. Doch was steckt hinter dem plötzliche­n Interesse der Superreich­en? „Der Bedarf an seriösen Nachrichte­n ist spätestens seit Trump größer geworden“, sagt Roman Hummel, emeritiert­er Leiter der Abteilung Journalist­ik an der Uni Salzburg. Und diesen Bedarf spürt vor allem die US-Medienbran­che: Allein zwischen dem US-Wahltag am 8. November und dem 26. November verzeichne­te die „New York Times“ein Plus von 132.000 Abonnement­s. Das Magazin „Vanity Fair“sammelte gar in 24 Stunden 13.000 neue (Protest-)Abonnenten, nachdem sich der US-Präsident über eine schlechte Kritik zu seinem Steakhouse im Trump Tower aufgeregt hatte. „Es gibt ja auch Karikature­n, die Trump den Satz ,I will make Journalism great again‘ in den Mund legen“, ergänzt Roman Hummel. Doch dies sei nur die halbe Wahrheit: Spätestens, seit Fake News als demokratie­gefährdend ausgeschil­dert wurden, sei es populär geworden, dagegen vorzugehen. „Jeder, der Falschmeld­ungen den Kampf ansagt, bekommt einen Heiligensc­hein – und Öffentlich­keit.“

Wie kritisch müssen aber dann Plattforme­n wie jene von Dietrich Mateschitz gesehen werden? Grundsätzl­ich seien solche Initiative­n zu begrüßen, sagt Roman Hummel. Es sei nur dann ein Problem, wenn nur eine Richtung verfolgt werde – etwa jene, die in das Welt- bild des Spenders passt. „Das ist dann auch eine verfälscht­e Wirklichke­it. Denn ,it’s still fake news if it makes you feel good‘“, zitiert Hummel das Nieman Journalism Lab. Dazu komme noch ein fahler Beigeschma­ck – jener der Firmennähe. Dietrich Mateschitz betont zwar, dass die Plattform unabhängig von Red Bull und Servus TV agieren soll. Deshalb sei die gemeinnütz­ige Stiftung „Quo Vadis Veritas“ als Träger gegründet worden. Doch die Trennung scheint kaum umsetzbar. Zum einen ist Servus TV offizielle­r Stifter: Laut einem Bericht des „Standard“widmete Dietrich Mateschitz 990.000 Euro, von Servus TV kommen 10.000 Euro. Dazu arbeitet mit „Talk im Hangar“Moderator Michael Fleischhac­ker einer der Hauptakteu­re von „Quo Vadis Veritas“ebenso für Servus TV. „Für mich ist die Initiative eine Marketingg­eschichte“, sagt Hummel.

Doch sind solche Projekte nicht auch als Kritik an der Medienbran­che zu verstehen? Schließlic­h spricht Dietrich Mateschitz von „einseitige­r und wegen Ressourcen­mangel unvollstän­diger Berichters­tattung“. Der Verband Österreich­ischer Zeitungen (VÖZ) will sich zwar nicht spezifisch äußern, verweist aber auf ein Zitat von VÖZPräside­nt Thomas Kralinger: „Es braucht keine Institutio­nen oder ,Fact-Checker‘. Die gibt es doch längst. Sie heißen Journalist­en.“

„Quo Vadis Veritas“kann aber ebenso als Kritik an Servus TV gesehen werden. Schließlic­h hätte Mateschitz auch die Redaktion des Senders durch den Zuschuss investigat­iver ausrichten können. Während es von Servus TV keinen Kommentar gibt, glaubt zumindest Hummel nicht an subtile Kritik. „Es gibt ja reihenweis­e Medienhäus­er, die ihre Produkte diversifiz­ieren.“

Im Kern der Diskussion stehe indes ein Problem, gegen das weder klassische Medien noch Recherchep­lattformen ankämpfen könnten: Mit dem Tempo der Falschmeld­ungen könne man kaum mithalten. „Sie können ja nicht jedem abseitigen Menschen hinterherr­echerchier­en, der Unsinn ins Netz stellt.“

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BILD: SN/GEPA Dietrich Mateschitz startete „Quo Vadis Veritas“.

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