In der Literatur erlebt die Ukraine einen Aufbruch
Ein Salzburger Festival bietet Europas Sprachen eine Bühne. Heuer will es die Ukraine nicht bloß als Land des Konflikts zeigen.
Mit wie viel Emotion das Stichwort „Ukraine“belegt ist, das konnte Tomas Friedmann zuletzt auch auf der Facebook-Seite des Salzburger Literaturhauses nachlesen. „Wir haben einige Hasspostings bekommen“, sagt der Leiter der Institution. Von einem „Mörderfestival“oder „NATO-Propaganda“sei da die Rede gewesen. Boykottaufrufe inklusive. Um den Song Contest, der in wenigen Wochen in Kiew stattfindet (s. oben), ging es dabei nicht. Das Literaturhaus veranstaltet seit 1995 ein eigenes Festival, das Europas Nationen eine Bühne bietet. Es heißt „Europa der Muttersprachen“und zeichne eine „stetig wachsende literarische Landkarte“, erläuterte Friedmann beim Pressegespräch am Freitag. 26 Länder standen bisher im Fokus. Heuer ist die Ukraine dran.
Parallelen zur Popwelt gibt es in der ukrainischen Literatur aber durchaus: „Manchmal erinnern Lesungen in der Ukraine an Popkonzerte, so stark sind sie frequentiert“, sagte Mariya Donska. Die ukrainische Literaturwissenschafterin gestaltet das heurige Programm mit. Keine Seltenheit sei es auch, „dass Autoren selbst mit Bands auftreten“, wie Juri Andruchowytsch, der als eine der wichtigsten literarischen Stimmen der Ukraine gilt. Gemeinsam mit Andrej Kurkow, Katerina Babkina, Natalka Sniadanko und anderen ist er nächste Woche zu Gast bei dem Ukraine-Schwerpunkt, der auch filmisch, musikalisch, kulinarisch und mit einer Ausstellung Blicke auf das Land werfen will. Es greife zu kurz, bei der Ukraine nur die Spaltung zwischen prorussischen und europäisch gesinnten Kräften zu sehen. „Das Land hat viele kulturelle Schichten, die sich überlagern.“
Für die meisten Ukrainer sei das Alltagsleben selbstverständlich zweisprachig, sagte Donska. Andrej Kurkow schreibe als ukrainischer Autor auf Russisch – in Russland würden seine Bücher freilich derzeit nicht veröffentlicht. Literarisch erlebe die Ukraine seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 eine Renaissance: „Die Literatur wurde politischer, frecher.“Aufbruchsstimmung finde sich auch in den Büchern der Festivalgäste: „Viele ihrer Protagonisten sind unterwegs“, ergänzte Friedmann, der auch den Facebook-Postern den Aufbruch ins Literaturhaus empfahl: „Ich lade sie zur Diskussion ein.“ Festival: