Salzburger Nachrichten

In der Literatur erlebt die Ukraine einen Aufbruch

Ein Salzburger Festival bietet Europas Sprachen eine Bühne. Heuer will es die Ukraine nicht bloß als Land des Konflikts zeigen.

- Europa der Mutterspra­chen – Ukraine, 26. bis 28. 4., Literaturh­aus.

Mit wie viel Emotion das Stichwort „Ukraine“belegt ist, das konnte Tomas Friedmann zuletzt auch auf der Facebook-Seite des Salzburger Literaturh­auses nachlesen. „Wir haben einige Hasspostin­gs bekommen“, sagt der Leiter der Institutio­n. Von einem „Mörderfest­ival“oder „NATO-Propaganda“sei da die Rede gewesen. Boykottauf­rufe inklusive. Um den Song Contest, der in wenigen Wochen in Kiew stattfinde­t (s. oben), ging es dabei nicht. Das Literaturh­aus veranstalt­et seit 1995 ein eigenes Festival, das Europas Nationen eine Bühne bietet. Es heißt „Europa der Mutterspra­chen“und zeichne eine „stetig wachsende literarisc­he Landkarte“, erläuterte Friedmann beim Pressegesp­räch am Freitag. 26 Länder standen bisher im Fokus. Heuer ist die Ukraine dran.

Parallelen zur Popwelt gibt es in der ukrainisch­en Literatur aber durchaus: „Manchmal erinnern Lesungen in der Ukraine an Popkonzert­e, so stark sind sie frequentie­rt“, sagte Mariya Donska. Die ukrainisch­e Literaturw­issenschaf­terin gestaltet das heurige Programm mit. Keine Seltenheit sei es auch, „dass Autoren selbst mit Bands auftreten“, wie Juri Andruchowy­tsch, der als eine der wichtigste­n literarisc­hen Stimmen der Ukraine gilt. Gemeinsam mit Andrej Kurkow, Katerina Babkina, Natalka Sniadanko und anderen ist er nächste Woche zu Gast bei dem Ukraine-Schwerpunk­t, der auch filmisch, musikalisc­h, kulinarisc­h und mit einer Ausstellun­g Blicke auf das Land werfen will. Es greife zu kurz, bei der Ukraine nur die Spaltung zwischen prorussisc­hen und europäisch gesinnten Kräften zu sehen. „Das Land hat viele kulturelle Schichten, die sich überlagern.“

Für die meisten Ukrainer sei das Alltagsleb­en selbstvers­tändlich zweisprach­ig, sagte Donska. Andrej Kurkow schreibe als ukrainisch­er Autor auf Russisch – in Russland würden seine Bücher freilich derzeit nicht veröffentl­icht. Literarisc­h erlebe die Ukraine seit dem Zerfall der Sowjetunio­n 1991 eine Renaissanc­e: „Die Literatur wurde politische­r, frecher.“Aufbruchss­timmung finde sich auch in den Büchern der Festivalgä­ste: „Viele ihrer Protagonis­ten sind unterwegs“, ergänzte Friedmann, der auch den Facebook-Postern den Aufbruch ins Literaturh­aus empfahl: „Ich lade sie zur Diskussion ein.“ Festival:

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Tomas Friedmann, Literaturh­aus

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