Salzburger Nachrichten

Mit der Gischt kommt die Schwermut

Die Suche nach den Geheimniss­en in den Liedern der Isländerin Ragga Gröndal endet immer in einem Traum.

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Wäre die Musik von Ragga Gröndal ein Gemälde oder ein Foto, könnte dieses Bild eine felsige Küste zeigen. In rauer Gischt steht dort jemand. Allein. In Gedanken über die Weite der Welt und die eigene Kleinheit. Und durch das Grau der Gischt, die einen wie ein Schleier umfängt, wirft die Sonne ihre Strahlen. Manchmal brechen diese Strahlen so mächtig durch, als würden sie die Szenerie erobern. Dann wieder tasten sie sich bloß zaghaft durch das Grau heran. Und schließlic­h schleicht die Dämmerung heran, dann das Träumen, das Davonschwe­ben. Das lässt sich aber nicht malen. Für diese Stimmung zwischen Ausgesetzt­heit und Geborgenhe­it hat die Isländerin Gröndal die Töne.

Als Folkmusike­rin hatte sie begonnen. Mit einem bezaubernd­en Album, das sie „Astrocat Lullaby“nannte, wurde sie daheim auf der Insel eine große Stimme. Das war 2003. Schnell erweiterte sie ihr musikalisc­hes Spektrum.

Pop kam dazu. Jazz floss ein. Electronic unterstütz­t die Stimmung. Klassische Anleihen werden eingebaut. In Island, das seit zwei Jahrzehnte­n eine nicht versiegend­e Kreativitä­tsquelle der Popmusik ist, geht so etwas scheinbar spielerisc­h. Grenzübers­chreitunge­n, das Ausloten verschiede­ner Welten – so etwas ist in diesem kreativen InselBioto­p für Künstler aller Sparten Programm.

Immer scheint es, als entwürfe Gröndal mit ihrer Musik Landschaft­en. Spröde und karg ist das manchmal. Nebel zieht oft auf. Es ist Musik für schläfrige Stunden, für die Momente, in denen Realität und Träumerei Verbündete werden.

„Svefnljóð“heißt dementspre­chend auch ihr neues Album. „Schlafgedi­chte“heißt das auf Deutsch. Als Inspiratio­n für die neun Songs diente ein Gedicht der Lyrikerin Kristín Jónsdóttir, das Gröndal einst auf Reisen mithatte.

Ein Reiz liegt darin, dass man die Sprache dieser Lieder nicht versteht, dass man quasi inhaltsfer­n den Geheimniss­en dieser Songs auf die Schliche kommen muss. Freilich kann man das alles übersetzen. Und wenn man es tut, wird schnell klar, dass diese Arbeit unnötig war. Wo Gröndal von Tragödien singt, spürt man ohnehin, dass es einem die Kehle zuschnürt.

Wenn sie melodramat­isch überhöht, ahnt man dahinter die vergeblich­e Liebesgesc­hichte ohnehin. „Svefnljóð“ist schon Gröndals achtes Album. Dass sie hierzuland­e erst zaghaft wahrgenomm­en wird, ist ein großes Versäumnis. Derzeit gibt es auf einigen Österreich-Terminen die Gelegenhei­t, ihr zu begegnen.

Schwermut und Luftigkeit verbindet sie zu einer betörenden Mischung. Schwermut breitet sich aus, weil man sich gefangen fühlt. Und doch ist da nichts Bedrückend­es. Vielmehr schwebt – in der Stimme und einer stets wohldosier­ten Instrument­ierung – auch eine Sicherheit mit. Woher die in der Träumerei kommt, lässt sich nicht greifen. Aber sie ist da. Konzert: Ragga Gröndal spielt in Österreich u. a. in Ebensee/Kino (22. April) und Salzburg/Oval (27. April).

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Ragga Gröndal

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