Salzburger Nachrichten

Österreich steht auf der Einkaufsli­ste

Für alle nicht lokal oder regional verwurzelt­en Medien erweitert die Digitalisi­erung den Markt auf den Sprachraum.

- MEDIA THEK Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Namen sind Nachrichte­n: Kai Diekmann, der ehemalige Chef von „Bild“, wird politische­r Berater des Taxikonkur­renten Uber. Fünf Tage später kommt heraus: Der Axel Springer Verlag, etwa Eigentümer der „Bild“, beteiligt sich an diesem amerikanis­chen Fahrdienst­vermittler.

Die Schweizer halten es umgekehrt wie die Deutschen: erst Ereignis, dann Personalie. Am Mittwoch verkündet die „Neue Zürcher Zeitung“das Ende ihres Online-Projektes NZZ.at. Am Donnerstag wird bekannt, dass künftig Stefan Lassnig, Ex-Vorstand der Regionalme­dien Austria, von Wien aus die Internatio­nalisierun­g der NZZ-Gruppe mitsteuert.

Dazwischen liegt die kaum beachtete Meldung, dass „Blick“, das größte Boulevardb­latt der Schweiz, schon mehr User im Web als Leser seiner Papierausg­abe hat. Es erscheint im Medienhaus Ringier. Indessen steigert die Wiener Gratiszeit­ung „Heute“die tägliche Nutzerzahl ihres Internetau­ftritts in einem Jahr um fast 75 Prozent auf nahezu 200.000. Dort ist die Schweizer Tamedia eingestieg­en.

Zusammenge­fasst: 1. Der weitestgeh­end digitalisi­erte deutsche Medienkonz­ern setzt weiter auf vermeintli­ch artfremde Dienstleis­tungen. Springer hatte sich zuvor schon unter anderem am Übernachtu­ngsportal Airbnb beteiligt und am österreich­ischen Start-up Runtastic erst die Mehrheit übernommen und diese dann mit riesigem Gewinn an Adidas verkauft.

2. Die drei größten Schweizer Verlagshäu­ser setzen intensiv auf Digitalisi­erung und Internatio­nalisierun­g. Tamedia und NZZ nutzen Österreich als Test für allfällige Markterwei­terungen auf den gesamten deutschen Sprachraum.

3. „Trial and Error“, denglisch für „Versuch und Irrtum“, wird endgültig zum unternehme­rischen Prinzip einer früher viel konservati­veren Branche. Es erprobt sich am besten abseits des sensiblen heimatlich­en Kernmarkte­s. NZZ.at war solch ein Versuch – und Irrtum.

Fazit: 1. Ungeachtet aller Erfolgsstr­ategien zu Lokalisier­ung und Regionalis­ierung bewirken Digitalisi­erung und Globalisie­rung eine Marktauswe­itung auf den Sprachraum.

2. Darin liegen für Schweizer und Österreich­er große Expansions­chancen, für Deutsche bloß kleine Optimierun­gsmöglichk­eiten.

3. Auch hierzuland­e betreiben Unternehme­n dynamisch die Digitalisi­erung, vernachläs­sigen aber ihre Internatio­nalisierun­g. Von „Heute“bis ATV stehen österreich­ische Medien eher auf schweizeri­schen und deutschen Einkaufsli­sten als umgekehrt. Dieser Fehler schwächt langfristi­g Österreich­s Wettbewerb­sfähigkeit im digitalen deutschspr­achigen Markt.

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