Hier leidet jede Frau für sich
Nach ihrer Scheidung und dem Verlust des Arbeitsplatzes ist Rachel völlig verwirrt und verbringt ihre Tage damit, mit dem Zug mehrmals von einer New Yorker Vorstadt in die Metropole zu fahren – und zurück. Beim Blick aus dem Fenster fällt ihr ein Paar auf, das offensichtlich vollends glücklich ist. Jedenfalls malt sich die unglückliche Rachel, die dem Alkohol zuspricht, dies in schönsten Farbtönen aus. Fantasie und Realität fallen aber zusammen, als die beobachtete Frau plötzlich verschwindet, wie aus der Presse zu entnehmen ist. Hat Rachel womöglich etwas damit zu tun? Ein Frauenfilm ist als solcher manchmal nicht einfach zu erkennen. „Girl on the Train“ist so einer, einfach der Tatsache geschuldet, dass die Romanvorlage von Paula Hawkins, das Drehbuch von Erin Cressida Wilson stammt und alle drei Hauptrollen Frauen innehaben – sogar die Polizei ist in Person einer Ermittlerin vertreten. Und die Männer sind bestenfalls gleichgültig. Trotzdem ist das Etikett Frauenfilm belastet, weil einst damit vor allem emanzipatorisch konzipierte Stoffe gemeint waren. „Girl on the Train“ist das genaue Gegenteil – die Frauen leiden jede auf ihre Weise. Regisseur Tate Taylor hat einen geradlinigen Psychothrillerstoff mit kurzen Schnipseln und einer verwirrenden Atmosphäre mutwillig zerpflückt. „Girl on The Train“hätte ein Reißer werden können, zumal Emily Blunt in der Titelrolle brilliert. Taylor hat keinerlei Respekt vor thematisch verwandten Klassikern wie „16 Uhr 50 ab Paddington“oder „Fenster zum Hof“. Was alles möglich gewesen wäre, zeigt die letzte Viertelstunde mit packenden Krimielementen. Und – was wieder zum Frauenfilm passt – klischeebeladene Vorurteilen gegenüber Männern.
Girl on the Train, Constantin Blu-ray Disc, 112 Min.