Salzburger Nachrichten

Hier leidet jede Frau für sich

- PIERRE A. WALLNÖFER

Nach ihrer Scheidung und dem Verlust des Arbeitspla­tzes ist Rachel völlig verwirrt und verbringt ihre Tage damit, mit dem Zug mehrmals von einer New Yorker Vorstadt in die Metropole zu fahren – und zurück. Beim Blick aus dem Fenster fällt ihr ein Paar auf, das offensicht­lich vollends glücklich ist. Jedenfalls malt sich die unglücklic­he Rachel, die dem Alkohol zuspricht, dies in schönsten Farbtönen aus. Fantasie und Realität fallen aber zusammen, als die beobachtet­e Frau plötzlich verschwind­et, wie aus der Presse zu entnehmen ist. Hat Rachel womöglich etwas damit zu tun? Ein Frauenfilm ist als solcher manchmal nicht einfach zu erkennen. „Girl on the Train“ist so einer, einfach der Tatsache geschuldet, dass die Romanvorla­ge von Paula Hawkins, das Drehbuch von Erin Cressida Wilson stammt und alle drei Hauptrolle­n Frauen innehaben – sogar die Polizei ist in Person einer Ermittleri­n vertreten. Und die Männer sind bestenfall­s gleichgült­ig. Trotzdem ist das Etikett Frauenfilm belastet, weil einst damit vor allem emanzipato­risch konzipiert­e Stoffe gemeint waren. „Girl on the Train“ist das genaue Gegenteil – die Frauen leiden jede auf ihre Weise. Regisseur Tate Taylor hat einen geradlinig­en Psychothri­llerstoff mit kurzen Schnipseln und einer verwirrend­en Atmosphäre mutwillig zerpflückt. „Girl on The Train“hätte ein Reißer werden können, zumal Emily Blunt in der Titelrolle brilliert. Taylor hat keinerlei Respekt vor thematisch verwandten Klassikern wie „16 Uhr 50 ab Paddington“oder „Fenster zum Hof“. Was alles möglich gewesen wäre, zeigt die letzte Viertelstu­nde mit packenden Krimieleme­nten. Und – was wieder zum Frauenfilm passt – klischeebe­ladene Vorurteile­n gegenüber Männern.

Girl on the Train, Constantin Blu-ray Disc, 112 Min.

 ??  ?? Emily Blunt steckt in einer emotionale­n Krise.
Emily Blunt steckt in einer emotionale­n Krise.

Newspapers in German

Newspapers from Austria