Salzburger Nachrichten

Der seltsame Verdruss über den großen Überschuss

Der Erfolg der deutschen Exportwirt­schaft sorgt für Unmut. Dabei verwechsel­n viele Kritiker allerdings oft Ursache und Wirkung.

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Die Deutschen können es offenbar niemandem wirklich recht machen. Einerseits bewundert man ihre wirtschaft­liche Stärke, anderersei­ts müssen sie genau dafür Prügel einstecken. Die schon seit geraumer Zeit vorgebrach­te Kritik am hohen Überschuss in der deutschen Leistungsb­ilanz wurde mit dem politische­n Wechsel in Washington neu angefacht. Kurz nach seinem Amtsantrit­t warf US-Präsident Donald Trump Deutschlan­d vor, die USA und die europäisch­en Partnerlän­der auszubeute­n, indem es sich im Export über eine unterbewer­tete Währung ungerechtf­ertigte Vorteile verschaffe.

Das Argument mag vielleicht für China gelten, aber ausgerechn­et die Deutschen für den vermeintli­ch schwachen Euro, dessen Kurs im Handel innerhalb der Währungszo­ne irrelevant ist, verantwort­lich zu machen, ist Unfug. Die Deutschen machen sich für höhere Zinsen im Euroraum stark, die den Kurs des Euro steigen ließen. Und rund die Hälfte seiner Überschüss­e erzielt Deutschlan­d mit Großbritan­nien und den USA, die ihrerseits in der Vergangenh­eit massiv Dollar druckten, um ihn zu schwächen.

Der Blick auf den Wechselkur­s greift aber ohnehin zu kurz. Im Kern sind Defizite und Überschüss­e im Außenhande­l, sofern er nicht durch politische Eingriffe verzerrt wird, ein Nachweis, wie leistungsf­ähig eine Volkswirts­chaft ist. 2016 produziert­e Deutschlan­d um rund 250 Mrd. Euro mehr Waren und Dienstleis­tungen, als es verbraucht­e. Macht ein Plus in der Leistungsb­ilanz von 8,7 Prozent der Wirtschaft­sleistung. Das ist hoch. Zu hoch?

Der deutschen Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries wurde es dieser Tage zu viel mit den ewig gleichen Vorhalten. Deutschlan­d müsse sich für seine Erfolge im Export nicht entschuldi­gen, sagte die SPD-Politikeri­n. Tatsächlic­h hält es seine Importe nicht mutwillig niedrig, sondern die Welt reißt sich um deutsche Produkte, wie Autos und Maschinen, obwohl sie teurer als andere sind. Die Überschüss­e sind das Resultat hoher Wettbewerb­sfähigkeit der deutschen Unternehme­n und ein Ergebnis, aber nicht das Ziel der Wirtschaft­spolitik. Vor rund 300 Jahren war das anders, im Merkanti- lismus suchten die Staaten ihr Heil allein im Export und im Zurückdrän­gen der Einfuhren. Die These der Merkantili­sten, dass allein Exportüber­schüsse den Wohlstand mehren, ist längst widerlegt, andernfall­s wären die USA mit ihrem Leistungsb­ilanzdefiz­it von 480 Mrd. Dollar ein armes Land, was sie nicht sind.

Zurück zu Deutschlan­d. Sind die Importe so viel niedriger als die Exporte, weil die Deutschen zwar viel leisten, aber sich zu wenig leisten? Anders gesagt: Wird zu wenig investiert? Askese ist in der Wirtschaft­spolitik per se weder gut noch schlecht, aber im Bereich der Infrastruk­tur – Straße, Schiene, Stromnetze – stünden Deutschlan­d Investitio­nen gut an.

Der Rest der Welt wird aber nicht erzwingen können, dass deutsche Politiker Maßnahmen setzen, die dazu führen, dass Betriebe teurer produziere­n und Marktantei­lsverluste riskieren. Möglicherw­eise reift in Berlin aber die Einsicht, dass Überschüss­e im Staatshaus­halt Spielraum für eine Steuersenk­ung geben. Das würde Konsum und Importe ankurbeln und die Lücke in der Leistungsb­ilanz verringern.

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