Und wann gehst du?
ICHmag keine erhobenen Zeigefinger und deshalb brennt mir ein Thema auf der Zunge. Es geht um die Plastiksackerl. Immer öfter lese und höre ich, wie wichtig es für die Zukunft der Menschheit sei, auf das Erdölprodukt Plastiksackerl zu verzichten. Die Argumente leuchten mir ein. Wenn Fische nicht verrottbare Teile von Einkaufssackerln in den Magen bekommen, dann hört sich der Spaß der Wohlstandsgesellschaft auf. Trotzdem richten sich bei der nun laufenden Kampagne meine Nackenhaare auf.
Allein schon das Wort. Plastiksackerl. Als Schüler eines pedant gewesenen Deutschlehrers habe ich eine gepflegte Besserwisserei griffbereit: „Eine Plastik ist das Werk eines Bildhauers. Oder es gibt die Plastische Chirurgie. Da wird menschliches Gewebe geformt. Was du meinst, ist, bitte schön, ein Sackerl aus Kunststoff.“
Beim Einkaufen denke ich oft an die Sackerl-Debatte. Das gewohnte Beutelchen soll ich vermeiden? Gleichzeitig wird mir aus Gründen des Umweltschutzes vorgeschrieben, dass ich keine in Karton verpackten Glühbirnen mehr kaufen darf. Die hippen und in der Herstellung energiefressenden LED-Lampen werden wie keimfreies Operationsbesteck feilgeboten – eingepasst in ein dickes, durchsichtiges Erdölprodukt.
Während ich mir vor einigen Tagen mit dem Einkaufswagerl im Großmarkt und umgeben von in Plastik (okay, ich füge mich der Mehrheit) eingeschweißten Wurst- und Käsewaren und luftdicht verpackten Batterien Gedanken über doppelbödige Umweltdiskussionen mache, treffe ich einen alten Freund. Nach kurzer Begrüßung meinte er: „Und wann gehst du?“Eigentlich wollte ich die Gelegenheit nutzen und diesen gescheiten Menschen mit meinen Überlegungen zur Verpackungsmoral konfrontieren – da stellt er mir just diese Frage. Warum auch er?
Mein Antlitz ähnelt nicht mehr dem eines Vierzigjährigen. Aber muss ich permanent erinnert werden, dass ein Datum näher rückt? Der Stichtag für die Pensionsberechtigung ohne Abschläge. Die Frage „Und wann gehst du?“stellt, was die Häufigkeit betrifft, den Zeigefinger der Verpackungssache längst in den Schatten. Es wäre reizvoll zu sagen: „Solange es die Plastiksackerl gibt, gehe ich nicht in die Rente.“