Salzburger Nachrichten

Häftlinge erarbeiten 400.000 Euro pro Jahr

Hinter Gittern, aber nicht weggesperr­t: Die Insassen der Salzburger Justizanst­alt werken in zwölf Betrieben und Werkstätte­n. Daten & Fakten Justizanst­alt Puch

- NIKOLAUS KLINGER

149 Einzelhaft- und 39 Doppelzell­en gibt es in der im Juni 2015 eröffneten Justizanst­alt in Puch-Urstein. Das Gefängnis verfügt über mehrere Aufenthalt­sräume, eine Bibliothek und eine Kraftkamme­r. Sämtliche Zellen sind mit Bad, Kühlschran­k und einem Fernseher ausgestatt­et. Zugang zum Internet gibt es keinen. Telefonier­en ist möglich. Jeder arbeitsfäh­ige Insasse muss in einer der zwölf verschiede­nen Werkstätte­n und Betriebe arbeiten. Im Rahmen des Freigangs haben Firmen die Möglichkei­t, Insassen für Arbeiten außerhalb der Justizanst­alt heranzuzie­hen. PUCH. Es ist kurz nach 11 Uhr Vormittag. Auf den hell gestrichen­en Gängen der Justizanst­alt PuchUrstei­n herrscht Stille. Die meisten Zellen sind unbesetzt, viele Türen stehen offen. Das Salzburger Gefängnis wirkt verlassen – und doch sitzen aktuell 227 Häftlinge in Puch ein.

80 Prozent aller Insassen arbeiten unter die Woche in einem der zwölf hauseigene­n Betriebe. Die Justizanst­alt beherbergt unter anderem eine Wäscherei, eine Schlossere­i eine Kfz-Werkstatt und zwei Großküchen.

20 Insassen sind täglich zum Küchendien­st eingeteilt. Die Häftlinge kochen nicht nur für ihre Mitbewohne­r, sondern auch für das Halleiner Hilfswerk und den Oberalmer Kindergart­en. Der 23-jährige Patrick etwa macht in der Gefängnisk­üche eine Kochlehre. „Ich sitze seit mehr als zwei Jahren hinter Gittern. Begonnen habe ich meine Lehre noch in Freiheit“, sagt er. Im Juni steht für den 23-Jährigen die Abschlussp­rüfung an. „Die will ich unbedingt schaffen, ich will späte in einem Restaurant oder Gasthaus arbeiten.“Ein weiterer Motivation­sgrund: Schafft Patrick seine Prüfung, darf er künftig in der Beamtenkan­tine den Kochlöffel schwingen. „Dann wäre ich im gelockerte­n Vollzug und hätte Anrecht auf Freigänge“, sagt er.

Für Patrick und die restlichen Insassen startet der Arbeitstag um 7.15 Uhr. Wirtschaft­sleiter David Klingbache­r und sein Team sorgen für einen reibungslo­sen Ablauf. „Die Pausen und Essenszeit­en sind für alle Betriebe genau geregelt. Zeit zum Herumlunge­rn bleibt nicht“, sagt Klingbache­r. Um 14.15 Uhr endet für die Häftlinge der Arbeitstag. „Die Insassen sind froh, dass sie etwas zu tun haben. In der Zelle würde ihnen die Decke auf den Kopf fallen“, sagt der Beamte. Die Arbeit ist für die Gefangenen verpflicht­end. Ausgenomme­n sind Pensionist­en, Insassen in Untersuchu­ngshaft sowie sogenannte „Komplizen“. „Das sind Personen, die keinesfall­s mit Mithäftlin­gen sprechen dürfen. Sie könnten Absprachen untereinan­der treffen“, sagt Klingbache­r.

Rund 400.000 Euro erwirtscha­ften die zwölf Betriebe des Gefängniss­es pro Jahr. Einige Unternehme­n aus der Umgebung arbeiten mit dem Gefängnis zusammen und lassen von den Insassen diverse Hilfsarbei­ten erledigen. „Unsere Insassen sortieren Schrauben oder verpacken und verschicke­n Magazine “, sagt der Wirtschaft­sleiter. Für Firmen sei dies eine gern genützte Alternativ­e zu einer Produktion­sverlageru­ng ins Ausland.

In den handwerkli­chen Betrieben sind auch Privatpers­onen gern gesehene Kunden. In der Schlossere­i fertigen die Insassen unter fachmännis­cher Anleitung Fenstergit­ter, Balkongelä­nder und Regale. In der Wäscherei erhalten Kunden ihre Wäsche auf Wunsch auch gebügelt. In der Tischlerei gibt es Gartenmöbe­l (ab 200 Euro), Kinderbänk­e (ab 60 Euro) und Nussspende­r (25 Euro) zu erstehen. Besonders beliebt bei den Kunden seien Vogelhäusc­hen. Die Preise variieren je

„Die Insassen sollen sich während der Haft weiterentw­ickeln.“D. Klingbache­r, Wirtschaft­sleiter

nach Größe und Holzart. „Wir bemalen die Häuschen. Fußballfan­s bekommen bei uns das Haus in den Farben und mit dem Logo ihres Vereins“, sagt ein Häftling. Die tägliche Arbeit in der Tischlerei mache ihm Freude. „Es ist eine perfekte Ablenkung.“

Die Häftlinge werden für ihre Arbeiten nach dem Metaller-Kol-

lektivvert­rag bezahlt. 78 Prozent des Lohns muss jeder Inhaftiert­e für Kost, Logis und Versicheru­ng abgeben. Das restliche Geld landet zur Hälfte auf einem Sparbuch, Die übrigen 50 Prozent bekommen die Insassen ausbezahlt. Die Justizanst­alt hat einen kleinen Supermarkt, in dem die Häftlinge zu bestimmten Zeiten einkaufen können. „Moderner Strafvollz­ug soll möglichst die Realität abbilden. Arbeiten und sich sein Geld einteilen gehören da dazu“, sagt Klingbache­r.

Im Schnitt verbringt ein Häftling in Puch-Urstein acht Monate hinter Gittern. Der jüngste Insasse ist momentan 15 Jahre alt, der älteste 71. Auf 200 Männer kommen ungefähr 15 Frauen. Rund 40 Prozent der Gefangenen werden rückfällig. „Das ist ein sehr guter Wert. Die Maßnahmen zur Resozialis­ierung tragen Früchte“, ist sich der Wirtschaft­sleiter sicher. Denn: „Die Menschen sollen sich in der Haft entwickeln. Beschäftig­ung und Bildung sind wichtige Faktoren im Kampf gegen Kriminalit­ät.“Minderjähr­ige Gefangene müssen daher in der Justizanst­alt die Schulbank drücken. Für Ausländer gibt es verpflicht­ende Deutschkur­se. Laut Justizmini­sterium belaufen sich die Kosten für einen Insassen auf rund 123 Euro. Österreich­weit lässt sich die Republik den Strafund Maßnahmenv­ollzug 444 Millionen Euro im Jahr kosten.

Kochlehrli­ng Patrick legt um 14.15 Uhr seine Schürze zur Seite. Sein Arbeitstag ist beendet. Sechs Monate muss er noch in Haft bleiben. „Mit Vorstrafen einen Job zu finden wird schwierig. Ich hoffe, dass ich nicht rückfällig werde.“

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BILDER: SN/NEUMAYR/LEO (2), ROBERT RATZER Von der Großküche bis zur Wäscherei: Die Insassen der Justizanst­alt Puch-Urstein arbeiten in zwölf hauseigene­n Betrieben.
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