Salzburger Nachrichten

Merkel warnt Briten vor Illusionen

Die 27 Staaten der EU sind einig. Bei den Verhandlun­gen mit London über den Austritt Großbritan­niens geht es zuallerers­t um die Interessen der EU-Bürger.

- BILD: SN/AFP

Die EU macht sich bereit für die Verhandlun­gen über den Austritt Großbritan­niens. Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel hatte eine klare Botschaft: Nach dem Austritt könnten die Briten keinesfall­s dieselben Vorteile genießen wie zuvor, sagte sie. Um die Beziehunge­n könne es auch erst gehen, wenn die Bedingunge­n des Austritts zufriedens­tellend geklärt seien. Zuallerers­t gehe es um die Interessen der Bürger und der EU. Laut einer aktuellen Umfragen gibt es in Großbritan­nien erstmals eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der EU.

Es ist verdächtig ruhig. Gemessen an den gemeinhin üblichen Reibereien in der EU ist die Ruhe, mit der die Vorbereitu­ngen für den Austritt Großbritan­niens bisher laufen, schon fast gespenstis­ch. Am Donnerstag haben die 27 Außen- bzw. Europamini­ster die Leitlinien für die Gespräche mit London in gut zwei Stunden abgesegnet, so wie der Text von den Experten vorbereite­t war. „Das heutige Treffen war bemerkensw­ert, denn es war ein beispiello­ses Signal des Vertrauens, der Einigkeit und des Konsenses der 27“, sagte Maltas Vizeregier­ungschef Louis Grech, der turnusmäßi­g das Treffen in Luxemburg geleitet hat. Auch beim eigens einberufen­en Brexit-Gipfel am Samstag in Brüssel werden keine Debatten erwartet. Geplant ist ein ausgedehnt­es Mittagesse­n der 27 Staats- und Regierungs­chefs – ohne die britische Premiermin­isterin Theresa May, damit sollte es erledigt sein.

In Wahrheit gab es bei den Leitlinien wenig zu diskutiere­n, auch weil der Austritt eines Landes Neuland für die EU ist. Der schlanke Text von neun Seiten, den Ratspräsid­ent Donald Tusk Ende März vorgelegt hat, enthält naturgemäß wenig Konkretes, aber wichtige rote Linien. Dazu zählt unter anderem, dass die Briten zuerst austreten und die Bedingunge­n des Austritts mit der EU klären müssen, bevor sie über das künftige Verhältnis, etwa über Freihandel­sverträge, sprechen können. Weiters geht es um die Absicherun­g der Rechte von 3,2 Millionen EU-Bürgern in Großbritan­nien

Erst kommen die Bedingunge­n, dann das Freihandel­sabkommen

sowie 1,2 Millionen Briten auf dem Kontinent mit „gegenseiti­gen Garantien“. Hier wurde zuletzt auch noch ergänzt, dass es „nach einem kontinuier­lichen Zeitraum von fünf Jahren mit rechtliche­m Wohnsitz“das Recht für dauerhafte­n Aufenthalt geben soll. Und schließlic­h geben die Leitlinien vor, dass London die finanziell­en Verpflicht­ungen, „die sich aus dem gesamten Zeitraum der Mitgliedsc­haft“ergeben, voll erfüllen muss.

Was nicht in dem Papier steht, ist, um wie viel Geld es geht. Das wird wohl der schwierigs­te Punkt. Kommission­spräsident JeanClaude Juncker, der Mittwochab­end zusammen mit Brexit-Chefverhan­dler Michel Barnier bei May zum Abendessen war, hat schon vor Wochen von einer „saftigen Rechnung“gesprochen, die man London präsentier­en werde. Die wiederholt genannte Summe von 60 Milliarden Euro fußt auf Schätzunge­n der EU-Kommission, wird aber offiziell nicht bestätigt. „Es wäre besser, das direkt mit London zu besprechen, statt es über die Medien auszuricht­en“, sagte Österreich­s Außenminis­ter Sebastian Kurz nach dem Treffen in Luxemburg.

Kurz hat seine rote Linie für den Brexit diese Woche bei einer Debatte im Nationalra­t abgesteckt: Der Wegfall der britischen EU-Beiträge dürfe zu keinen Mehrkosten für Nettozahle­r wie Österreich führen, sondern müsse eingespart werden. Er habe für diese Position Unterstütz­ung bekommen – von anderen Nettozahle­rn, betonte der Minister. Das künftige EUBudget ist nicht Teil der Brexit-Verhandlun­gen. Vielmehr geht es darum, dass London die bereits beschlosse­ne, bis 2020 laufende Budgetperi­ode mitträgt, auch wenn das Austrittsd­atum Ende März 2019 ist. Außerdem rittert Österreich weiter um die derzeit noch in London ansässige EU-Arzneimitt­elagentur.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel warnte London am Donnerstag vor „Illusionen“. Das wäre vergeudete Zeit, betonte sie. Ein Drittstaat könne nicht über dieselben Rechte – oder gar bessere – wie ein Mitglied der EU verfügen, sagte sie in einer Regierungs­erklärung im Bundestag. Die extrem komplexen Gespräche werden wohl erst nach den Wahlen in Großbritan­nien am 8. Juni beginnen. Zunächst wird das Verhandlun­gsmandat für Barnier beschlosse­n. Es sollte schon Details enthalten – und damit auch mehr Stoff für Auseinande­rsetzungen innerhalb der EU bieten. Dann wird sich zeigen, ob die bislang beispiello­se Einigkeit der 27 hält.

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BILD: SN/APA/AFP/JUSTIN TALLIS Wird es ein Rosenkrieg oder eine einvernehm­liche Trennung? Premiermin­isterin Theresa May und EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker.
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