ÖVP will Sozialsystem umbauen SPÖ hält von diesen Ideen nichts
Der ÖAAB will die Notstandshilfe abschaffen und dafür Mindestsicherung zahlen. Sozialminister warnt davor, dass so vor allem ältere Arbeitslose ihre gesamten Ersparnisse verlieren könnten.
SALZBURG, WIEN. Eine Totalreform der Arbeitslosenleistungen verlangt Innenminister Wolfgang Sobotka in seiner Funktion als Chef des ÖAAB Niederösterreich – und stößt damit auf wenig Verständnis bei Sozialminister Alois Stöger (SPÖ). Dieser kann mit Sobotkas Wünschen nichts anfangen.
Zwei Forderungen sind es, die Sobotka kurz vor dem Tag der Arbeit am 1. Mai stellt. Erstens: Es müsse Schluss damit sein, dass Arbeitslose und Notstandshilfebezieher bis zur Geringfügigkeitsgrenze (425,70 Euro monatlich) dazuverdienen dürfen. Denn diese Möglichkeit, von der 13 Prozent der Arbeitslosen und 17 Prozent der Notstandshilfebezieher Gebrauch machten, fördere den sozialen Missbrauch „eklatant“, sagt Sobotka. In manchen Branchen habe das zu systematischer Schwarzarbeit geführt, mit der Arbeitgeber ordentliche Beschäftigungsverhältnisse umgingen – und Arbeitslose auf Einkommen jenseits dessen kämen, was ordentlich Beschäftigten bleibe. Effekt: Beide Seiten hätten kein Interesse an regulärer Beschäftigung. Sobotka spricht vom „größten sozialpolitischen Fehler, den wir derzeit haben“und berichtete von Firmen, die ausschließlich Arbeitslose beschäftigen – offiziell geringfügig, tatsächlich aber schwarz. Den Kontrolleuren seien die Hände gebunden, da sich sowohl Arbeitnehmer, die Arbeitslosengeld bezögen, als auch die Arbeitgeber auf das vorliegende geringfügige Beschäftigungsverhältnis berufen könnten. Deshalb müsse die Zuverdienstgrenze fallen – und die Arbeitslosenleistungen während der Erwerbstage ruhen.
Zweitens: Das derzeit aus den drei Säulen Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und bedarfsorientierte Mindestsicherung bestehende System müsse komplett geändert werden – und zwar nach dem Vorbild von Hartz IV in Deutschland. Das Arbeitslosengeld müsse erhöht, die Bezugsdauer verlängert werden. Die Notstandshilfe dagegen – wie das Arbeitslosengeld eine Versicherungsleistung, nur ohne Ablaufdatum – müsse abgeschafft werden und in der Sozialleistung Mindestsicherung aufgehen, inklusive des Budgets dafür. Um den Anreiz zu erhöhen, das Sozialhilfesystem zu verlassen, sollte bundesweite eine Obergrenze von 1500 Euro netto für Bedarfsgemeinschaften eingeführt werden sowie ein zeitlich befristeter (Wieder-)Einsteigerbonus, wodurch Mindestsicherungsbezieher ihr Einkommen erhöhen könnten, wenn sie arbeiten – beides sei in Niederösterreich bereits Gesetz und biete sich als Lösung für ganz Österreich an, sagt Sobotka.
Stöger sagt, dass die Abschaffung der Notstandshilfe, wie sie Sobotka verlange, Langzeitarbeitslose, darunter viele ältere, benachteilige würde. In die Mindestsicherung zu fallen bedeute für diese Menschen, ihr gesamtes Vermögen, das sie sich erarbeitet hätten, zu verlieren. Wer Mindestsicherung bekomme, müsse vorher fast sein gesamtes Vermögen aufbrauchen. Es sei der bessere Weg, diese Menschen wieder in Arbeit zu bringen, sagt Stöger. Die Regierung habe sich vorgenommen, 20.000 Arbeitsplätze für ältere Arbeitslose zu schaffen.
Allerdings sieht auch Stöger Diskussionsbedarf bei der Notstandshilfe – er denkt aber eher an eine Erhöhung, denn derzeit wird ja diese mit dem Einkommen des Partners gegengerechnet. Das müsse man überdenken, auch im Sinn der Frauen, die davon besonders oft betroffen seien. Dass es einen groß angelegten Missbrauch von Arbeitslosengeld und Zuverdienst gebe, sei ihm bisher nicht bekannt. Tatsache sei aber, dass dies strafbar sei und, wenn es vorkomme, auch geahndet werde.
„Wenn das vorkommt, ist es strafbar.“Alois Stöger, Sozialminister „Das System fördert sozialen Missbrauch.“Wolfgang Sobotka, Innenminister