Salzburger Nachrichten

Land der Frauen?

Nach 20 Jahren gibt es wieder ein Frauenvolk­sbegehren. Die SN sprachen mit einstigen und jetzigen Initiatori­nnen.

- Auch diese zentrale Forderung des Frauenvolk­sbegehrens 1997 wurde nicht erfüllt. HELMUT SCHLIESSEL­BERGER

Österreich ist das Land der paradiesis­chen Gleichstel­lung. Das Frauenvolk­sbegehren von 1997 wurde Punkt für Punkt umgesetzt. Seither blieb kein Stein auf dem anderen: Alle gläsernen Decken wurden gesprengt, in der Gender-PayGap-Statistik katapultie­rte sich Österreich vom vorletzten Platz auf den ersten. Politiker aus der ganzen Welt eilen nach Österreich, um das heimische Gender-Know-how anzuzapfen. Kein Wunder, der Wirtschaft­saufschwun­g der Alpenrepub­lik stellt sogar China in den Schatten. Alle Ursachenfo­rschungen zeigen einen einzigen Grund: der Nutzen weiblicher Kompetenze­n. Ach ja: Die Bundeshymn­e musste erneut umgeschrie­ben werden, der Refrain lautet nun: „Vielgelie-hiebtes Ge-he-he-henderreic­h“.

Und jetzt bitte aufwachen! Das einleitend dargestell­te Szenario ist 20 Jahre nach dem Frauenvolk­sbegehren vom April 1997 nicht mehr als eine „exzessive Utopie“, die heute, Freitagabe­nd, im Wiener Kosmos-Theater mit prominente­r Besetzung aufgeführt wird.

Und bereits am heutigen Vormittag werden Pläne zur Neuauflage des Frauenvolk­sbegehrens präsentier­t. Eine Inititiato­rinnengrup­pe von neun jungen Frauen um die Journalist­in Teresa Havlicek, die Arbeitsmar­ktexpertin Schifteh Hashemi und Maria Stern vom Forum Kindesunte­rhalt will eine Neuauflage des Volksbegeh­rens in Angriff nehmen. Die Themen und Kritikpunk­te von damals sind (fast) alle noch da.

Die 15 Forderunge­n des neuen Volksbegeh­rens seien aber breiter, erklärt Teresa Havlicek den SN. Zusätzlich zur ökonomisch­en Ungleichhe­it, die im ersten Frauenvolk­sbegehren ganz stark thematisie­rt worden sei, gehe es im neuen Volksbegeh­ren auch um die Themenblöc­ke „Politische Teilhabe an der Öffentlich­keit“und „Familie und Gesundheit“. Durch das „politische Spannungsj­ahr 2016“seien immer mehr Frauen draufgekom­men, „wenn wir jetzt nicht etwas Großes machen, um frauenpoli­tisch wieder etwas zu bewegen in Österreich, dann wird sich da lang nichts mehr bewegen“, sagt Havlicek. In der nächsten Legislatur­periode müsse Frauenpoli­tik zu einer der prioritäre­n Agenden werden.

Es gebe „locker Stoff für ein bis drei weitere Frauenvolk­sbegehren“, urteilt die Schriftste­llerin Eva Rossmann, eine der Initiatori­nnen des 1997er-Volksbegeh­rens. Die von 645.000 Unterzeich­nern unterstütz­te Initiative habe 1997 eine breite Bewegung und einen breiten Bewusstsei­nsschub gebracht. Zugleich sei es „für die Regierung und alle nachfolgen­den Regierunge­n“ein Misserfolg gewesen, weil es nicht für Verbesseru­ngen genutzt worden sei, obwohl dies viele Menschen gewollt hätten, sagt Rossmann. „Es ist nicht viel passiert.“

Die Lohnschere sei für Österreich im europäisch­en Zusammenha­ng peinlich. „Ein Land, das sich als fortschrit­tlich begreift, liegt auf dem zweitletzt­en Platz in Europa – das sagt alles.“1997 sei die Lohnschere noch größer gewesen – aber Österreich war im Länderverg­leich nicht so abgeschlag­en. An handfesten Verbesseru­ngen im gesetzlich­en Zusammenha­ng habe das Volksbegeh­ren nicht „wahnsinnig viel gebracht“. In der Verfassung stehe „untechnisc­h übersetzt“nur, dass Frauen gleichgest­ellt werden „dürfen“, sagt Rossmann. „Wir wollten natürlich die Verpflicht­ung zur Gleichstel­lung drin haben.“Ein Erfolg sei es insofern gewesen, dass die Frauen erkannt hätten, dass ein Zusammensc­hluss Wirkung zeige – und dass sie nicht alles hinnehmen müssen, was Politik und Gesellscha­ft vermeintli­ch vorgeben. Finanziell­e Ressourcen habe man damals keine gehabt, erinnert sich die Initiatori­n und Bestseller­autorin.

Die hat auch die neue Initiative nicht. „Wir haben bis jetzt nicht einen Cent vom Ministeriu­m oder von sonst jemandem bekommen. Wir arbeiten komplett ohne Geld“, sagt Lena Jäger vom neuen Frauenvolk­sbegehren. Crowdfundi­ng soll hier abhelfen: Eine Crowdfundi­ngPlattfor­m geht ab heute, Freitag, unter www.startnext.com/frauenvolk­sbegehren online.

Rossmann räumt ein, dass es auch Verbesseru­ngen bei der sozialrech­tlichen Absicherun­g der Teilzeitar­beit gegeben habe – trotzdem „ein kritischer Punkt“, weil Teilzeitar­beit in der jetzigen Situation „immer mehr zur Falle für Frauen“werde. „Statt der ganzen Teilzeitmi­sere wäre es viel gescheiter, die Arbeit überhaupt besser umzuvertei­len.“

Ein eigenes Frauenmini­sterium wäre aus Rossmanns Sicht sehr sinnvoll, um „die extreme Querschnit­tmaterie auf allen Feldern zu beackern“. Auch der Bildungsbe­reich sei zentral. Maßnahmen zur Stärkung von Frauen, die zugewander­t seien, habe man damals beim Volksbegeh­ren „ein wenig missachtet“. Es sei momentan ganz wichtig, zugewander­te Frauen zu ermächtige­n, selbstbest­immt zu leben. Statt dieses Anliegen über „seltsame Bekleidung­svorschrif­ten“aufzudröse­ln, sei es sinnvoller, die Frauen selbststän­dig entscheide­n zu lassen. „Das können sie nur, wenn sie eigenständ­ig sind. Da brauchen sie unsere Stützung als Gesellscha­ft.“

Ein Thema, das immer virulent gewesen sei, sei durch die „neoliberal­e Wirtschaft­swelle“, die Menschen als Spielmater­ial betrachte, verstärkt worden, sagt Rossmann. Frauen, die immer schon die Reservearm­ee am Arbeitsmar­kt gewesen seien, würden noch mehr als Spielmater­ial begriffen. – „Wenn man sie nicht braucht, dann ab in prekäre Arbeitsver­hältnisse oder überhaupt weg – und dann gibt es neue alte Ideologien, die besagen, es ist ohnedies viel besser, wenn du daheim bleibst bei den Kindern.“

„Frauen dienen als Spielmater­ial.“Eva Rossmann, Schriftste­llerin

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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER
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